Max Weber stellte sich in den „Gesammelten Aufsätzen zur Religionssoziologie“ die Frage, welche Umstände Europa zum heutigen Europa werden liessen. Gemäss Michael Mitterauer muss man im Mittelalter ansetzen um Europa verstehen zu können. Ist die Entstehung der Dominanz Europas laut Mitterauer eher auf ökonomische, politische oder religiöse Faktoren zurückzuführen?
Im ersten
Kapitel schreibt Mitterauer über die Agrarrevolution im Mittelalter. Dies tut
er unter dem Titel „Roggen und Hafer“, weil diese beiden Getreidesorten eine
enorme Rolle, besonders im Zusammenhang mit der Dreifelderwirtschaft, gespielt
haben. Sie waren eingebunden in ein grösseres System von Viehzucht und
Weidelandbewirtschaftung. Dazu gehören aber auch die Entwicklung des schweren
Pflugs und eines Transportwesens, namentlich dem verbessertem Pferdewesen,
welches wieder mit dem Hafer-Anbau zusammenhing.
Die Familien-
und Verwandtschaftsstruktur sind wichtige Unterschiede von Europa beispielsweise
mit arabischen Ländern oder China. In islamischen Ländern durfte man Frauen
verstossen, wenn sie keinen Sohn gebaren, der dem Vater nachfolgen kann. Das
zeigt wie streng und eng diese familiären Verbindungen waren. Mitterauer hält
im dazugehörigen dritten Kapitel fest, dass das Christentum im Mittelalter zu
lockereren Abstammungsbeziehungen geführt hat, was der Wirtschaft zuträglich war.
Arbeit musste nicht mehr unbedingt im Familienverband getan werden, sondern war
tendenziell frei verfügbar.
In Kapitel
zwei schreibt Mitterauer zur Hufenverfassung, dass die
Verwandtschaftszugehörigkeit gesellschaftlich eine untergeordnete Rolle spielte.
Massgeblich war die Gutszugehörigkeit und nicht von wem man abstammte und in
welche Familie man gehörte. Mitterauer führt die Bedeutung des europäischen
Feudalismus in Kapitel vier weiter aus. Diese Ständeverfassung mit allen ihren
Widersprüchen und Spannungen habe schliesslich zur Entwicklung europäischen
Parlamentarismus geführt.
Es habe zu
ebenfalls Spannungen geführt, dass sich universale Ordensgemeinschaften und das
Papsttum gegenüberstanden. Dieser Konflikt sei für den europäischen Sonderweg
nützlich und prägend gewesen. Was genau „nützlich“ war, das lässt sich aus
Mitterauers Ausführungen nicht genug genau erschliessen.
Klar ist
hingegen, dass Mitterauer die Kreuzzüge im sechsten Kapitel als ein Ausdruck
des europäischen Expansionismus sieht. Für die expansionistischen Bestrebungen
der italienischen Seerepubliken verwendet Mitterauer den Begriff
„Protokolonialismus“.
Das letzte
Kapitel befasst sich grob gesagt mit Massenkommunikation. In China und in den
arabischen Ländern galt Schrift und insbesondere Handschrift lange als etwas Besonderes, wenn nicht sogar
etwas Heiliges. So hatte man in islamischen Ländern Vorbehalte gegen den
Buchdruck. Natürlich gab es auch liberalere Kalifen, welche die Wichtigkeit des
Buchdruckes sahen, aber eine solche Buch- und Lesekultur entsteht nicht sofort,
hält auch der Autor fest.
Der
Buchdruck wird von Mitterauer mitverantwortlich gemacht für die Reformation.
Die Verfügbarkeit von vielen gedruckten Texten führte dazu, dass man
Instruktionen und Regeln verbreiten konnte. So konnte sich auch eine
„Bürokraten und Beamtenkultur“ bilden.
Der
Buchdruck verdrängte Latein in weiten Teilen und verstärkte die Volkssprachen.
Die obige
Frage, ob eher ökonomische, politische oder religiöse Faktoren den europäischen
Sonderweg geprägt haben, ist meines Erachtens falsch gestellt. Mitterauer macht
unmissverständlich klar, dass diese Umstände unglaublich komplex sind, weil sie
alle mit einander verkettet sind.
Ebenfalls
spricht Mitterauer kaum von „Faktoren“ sondern vom Begriff der
„Faktorenbündel“. Dieser Begriff wird seinem oben erläuterten Denken eher
gerecht.
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Warum Europa?: Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs
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