Donnerstag, 31. Dezember 2015

"The Philosophers" & "Irrational Man" - Zwei Spielfilme über Philosophie

Ich habe zwischen Weihnachten und Silvester per Zufall zwei Filme gesehen, die sich beide mit Philosophie und so beschäftigen. Also ideales Futter für mich!

"The Philosophers" (bzw. After Dark) 2013
Spürt ihr die romantische Tiefe? Also ich nicht.
 Eine Gruppe Studierender macht ihren Abschluss. Und um das etwas zu feiern, machen sie mit ihrem Philosophie-Dozent noch ein letztes grosses Gedankenexperiment. Man stelle, sich vor: Eine atomare Apokalypse und es kann nur eine kleine Zahl in einem Bunker gerettet werden. Jeder der Studierenden hat eine Rolle, einen Beruf und spezielle Fähigkeiten zugewiesen bekommen. Wer soll jetzt in den Bunker mitgenommen werden? Und wer bleibt draussen dem Tod überlassen? Hat es beispielsweise Platz für einen Dichter oder einen schwulen Bio-Bauern, wenn man die Population neu aufbauen will? Alles unangenehme Fragen, wie es sich für ein gutes Gedankenexperiment gehört.

Was passiert, wenn man sich in ein Gedankenexperiment zu fest hineinsteigert, zeigt dieser Film. Nach den mehreren Runden scheint das Leben der Studierenden plötzlich ganz anders zu sein. Der Dozent kommt mit seiner pragmatischen, konsequenzialistischen Herangansweise ganz schlecht weg. Meines Erachtens zu Unrecht.

Und dann gibt es noch Petra, die hoffnungslose Deontologin, für die alle Menschen "gleich viel wert" sind, egal wiewenig Nutzen beispielsweise eine Weinhändlerin beim Aufbau der Menschheit gegenüber einem promovierten Chemiker hat. Der Dozent wendet korrekterweise ein, dass die Gruppe dem Untergang geweiht ist, wenn sie nur aus Schöngeistern besteht. Petra stimmt zu, aber sagt dann durch die Blume, dass das ja sowieso völlig egal ist. Ich sagte ja, eine hoffnungslose Deontologin.

Auf jeden Fall regt der Film zum Denken an und ist stellenweise echt spannend und etwas extrem. Nichtsdestotrotz hat die Geschichte aber einige Macken. Das der Film in Jakarta spielt, will mir einfach nicht in den Kopf. Wahrscheinlich hat es irgendetwas mit der Filmförderung zu tun. Storytechnisch macht es aber schlichtweg keinen Sinn. Der letzte Akt des Films wirkt etwas aufgesetzt, insbesondere der Dialog. Wieso sprechen sie mit einander, wenn sie schon von Anfang an wissen, dass es nicht klappt. Und dieser Pathos in dieser Szene und im Rest des Films. Muss das sein?

5/10

"Irrational Man" 2015
 
Spazieren gehen mit dem Prof? Läuft bei Dir!

Der grossartige Joaquin Phoenix spielt Abe Lincoln einen Philosophen, der in einem kleineren College einen Aufenthalt macht. Lincoln ist unzufrieden mit seinem Leben, hat Schreibblockaden und sieht im Leben wenig Sinn. Daran kann auch eine Affäre nichts ändern. Erst als er beschliesst er jemanden zu töten. Das gibt ihm einen neuen Lebenswillen und Antrieb, drängt ihn letztlich aber genau ins Verderben.

Folgende Aspekte des Filmes haben mich motiviert ihn anzuschauen:
  • Es ist ein Woody Allen-Film.
  • Es geht um einen lüsternen Philo-Prof.
  • Emma Stone und Joaquin Phoenix spielen mit.
Ich wurde nicht enttäuscht. Zwar könnte ich jetzt darüber meckern, dass das Philosophie-Studium nicht korrekt dargestellt wird (wie bei "The Philosophers" noch viel schlimmer) und Abe Lincoln "Bla-Bla-Bla"-Kalendersprüche von sich gibt, für die akademische Philosophen in der echten Welt gesteinigt werden würden, aber der Film ist gut. Das Schicksal von Abe Lincoln ist derart ironisch. Der Charakter ist glaubwürdig und nicht derart lüstern, wie es die Inhaltsangaben des Filmes vermuten liessen.

Ich will nicht zu viel vom Inhalt verraten, aber dass ein frustrierter Mensch beim radikalen Versuch aus dem Loch zu kommen noch mehr scheitert ist einfach so köstlich.

8/10


Donnerstag, 24. Dezember 2015

Kritik am FC Wil extrem ressentimentgeladen

In der heutigen Ausgabe des St. Galler Tagblatts schreibt Christof Krapf davon, dass der FC Wil die "Bayern der Schweizer Liga" sei.

Krapf kritisiert die Transferpolitik des FC Wils. Er schreibt, dass der FC Wil, wie die Bayern den Konkurrenten Spieler abkaufen wollen würden, um die eigene Mannschaft zu stärken und, für Krapf noch viel schlimmer, um den Gegner zu schwächen. Die Kritik an Bayern ist extrem ressentimentgeladen, wie Chucky Goldstein in seinem Vortrag zeigte.

Schauen wir nun einmal an, was der FC Wil gemäss Krapf falsch gemacht hat. Die AG hat von Leader Lausanne-Sport den Topskorer Roux gekauft. Der FC Wil musste dafür vermutlich tief in die Tasche greifen. Es musste eine Ablösesumme bezahlt werden.

Hätte Lausanne auf dieses Angebot eingehen müssen? Nein. Offensichtlich bringt dieser Transfers für alle drei Parteien etwas und entstand aus einem Konsens aller Parteien und ist daher alles andere als verwerflich.

Was zeigt, diese etwas seltsame Kritik von Krapf? Scheinbar gelten für den Sport andere Regeln als für andere Aspekte der Wirschaft. Denn Profi-Fussball ist heute nichts anderes als ein Geschäft. Wir leben in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem und das ist auch gut so meines Erachtens. Der Fussball ist heute Teil dieses Systems. SpielerInnen müssen damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, sind gegen Unfälle versichert und müssen Abgaben leisten. Dazu gibt es Dienstleistungen (SpielerberaterInnen), die dieses Humankapital an die ensprechenden Teams bringen. Aber gemäss Krapf muss man sich an gewisse Regeln halten beim Erwerb von Arbeitskraft im Fussball.

Die allgemeine Kritik an den neuen Geldgebern des FC Wil ist total ressentimentgeladen. Oft hörte man in Kommentaren beim Blick davon, dass es doch besser gewesen wäre, wenn ein lokaler Mäzen eingesprungen wäre. Aber was ist genau der Unterschied? Ist das Geld aus der Türkei "dreckig" und das aus der Schweiz in Ordnung? So eine Unterscheidung erscheint mir doch sehr diskriminierend.

In der Tat kam bei Kommentaren gehäuft die Angst auf, dass die "bösen Türken" ihr Geld geklaut hätten und sonst überhaupt nicht koscher wären.

So schrieb einer:

Die FINMA soltte den Geldfluss genau beobachten dass da kein Schwarzgeld hin und her geschoben wird. Spielerkauf/-verkauf vom Auslands ins Ausland, und um das geht es beim Aufkauf vom FC Wil, ist oft an der Limite der Finanzgesetze.
Andreas Nobel schrieb:
Ich hatte bislang mit einigen Türken zu tun und denen ist überhaupt nicht zu trauen. [...]
Urs Reiter, kritisierte, dass die "bösen Türken" den Schweizer Talenten keine Chance geben. Wie er auf diesen Schluss kommt bleibt unklar:
Vor nicht allzulanger Zeit hat Herr Bigger und seine VR-Kollegen noch davon gesprochen, eigenen, jungen, regionalen Spielern eine Chance bieten zu wollen, gesprochen.
Er hat auch sentimental gemacht, als es um 40 Arbeitsplätze in der Region ging und um das Sponsorennetzwerk in der Region. Heute interessiert niemand, dass die Arbeitsplätze dennoch verloren gehen und wieder Fremde herumwildern. Guter Schachzug für unsere Nachwuchstalente! Neben bei ist ja Herr Bigger Finanzchef in der SFL....
In einem anderen Blick-Artikel fragt sich Franz Schreiber:
Ob wirklich ALLES mit Geld machbar ist?  
 Würde Schreiber dies bei der UBS schreiben, wenn diese bei der Credit Suisse einen Top-Manager ablösen würde?

Christof Krapfs zeigt mit seinem Kommentar auch, dass er die genauen Strukturen des FC Wils nicht kennt. So schreibt er, dass Mehmet Günal Präsident des FC Wils sei. Tatsächlich ist aber Murathan Günal, der Sohn Mehmet Günals der Präsident. Ein einfacher Blick auf Wikipedia hätte gereicht.

Dienstag, 27. Oktober 2015

Meine neue Website www.johannes-leutenegger.ch

Screenshot meiner neuen Website
Mein Blog war lange die erste Anlaufstelle. Nun kandidiere ich zum ersten Mal für einen Personenwahlkampf. Ich kandidiere für den Schulrat in Wil. Daher habe ich mich entschlossen eine eigene Website zu eröffnen: http://www.johannes-leutenegger.ch/ 

Der Blog wird weiter geführt, vielleicht aber bald auf meiner Website untergebracht.

Sonntag, 25. Oktober 2015

Warum eine Tieranwaltschaft und Tierschutzgesetzreformen wenig Sinn ergeben

Quelle: Nick Saltmarsh auf Flickr (CC-BY 2.0)
Gequält werden die Tiere nur ausserhalb der Schweiz. So scheint es mir, wenn ich über „Tierhaltung“ mit Leuten diskutiere. Die Schweiz habe das beste Tierschutzgesetz der Welt, es werde nur nicht richtig angewandt. Es brauche daher jemand der sich für die „Rechte“ der Tiere einsetzt. Einen Tieranwalt oder eine Tieranwältin. Dabei ist dies ein fundamental falscher Ansatz. Ich erkläre hier warum.

In Artikel 4 des Tierschutzgesetzes steht beispielsweise:
Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten. Das Misshandeln, Vernachlässigen oder unnötige Überanstrengen von Tieren ist verboten.
Tönt eigentlich ganz gut. Leid, dass nicht nötig ist zu verhindern ist meines Erachtens ein guter Grundsatz. Was bedeuten die Worte „unnötig“ und „ungerechtfertigt“ hier?
Das Schlachten von Tieren ist in der Schweiz – offensichtlich – nicht verboten. Grundsätzlich ist das Nutzen und Halten von Tieren auch erlaubt. Ist eine Schlachtung, die Haltung und Nutzung von Tieren „nötig“ und „gerechtfertigt“?

Eine Handlung ist für mich "unnötig" oder "ungerechtfertigt", wenn damit mehr Leid als Glück produziert wird. In der Praxis ist es meistens nicht einfach eine Handlung als "unnötig" einzustufen, weil die Summe des Leids und des Glücks nicht immer klar sind. Aber bei Tierprodukten scheint mir die Angelegenheit sehr klar zu sein. Stellen wir die Frage anders: Brauchen wir Fleisch oder andere Tierprodukte zum Überleben? Sind wir auf die Nutzung von Tieren angewiesen um unser Überleben zu rechtfertigen? Formulieren wir es ganz drastisch: Ist es „nötig“ für unseren Geschmack Tiere zu schlachten?
Natürlich waren das rhetorische Fragen. Es ist nicht nötig Tiere zu Nahrungszwecken zu töten, zu halten oder zu nutzen.[1]

Was bedeutet nun aber der Begriff „unnötig“ bzw. „ungerechtfertigt“ im Gesetz? Es geht darum Praktiken, die im Rahmen einer effizienten Produktion dem Tier schaden. So zum Beispiel steht im Gesetz über Tiertransporte (Artikel 15):
Tiertransporte sind schonend und ohne unnötige Verzögerung durchzuführen. Die Fahrzeit ab Verladeplatz beträgt höchstens sechs Stunden. Der Bundesrat erlässt die Ausnahmebestimmungen.
Sechs Stunden sind ausreichend, um mit einem Tiertransporter durch die ganze Schweiz zu fahren. Sollte also keine Probleme darstellen. Mit einem Tiertransport noch länger herumzufahren, macht ökonomisch keinen Sinn.
Noch einmal hier ein Beispiel, bevor wir zur Konklusion kommen. Zur Schlachtung (Artikel 21) steht:
Säugetiere dürfen nur geschlachtet werden, wenn sie vor Beginn des Blutentzugs betäubt worden sind.
Gary L. Francione hat in seinem Buch „Eat Like You Care“ (S. 74) folgende These für den Humane Slaughter Act in den USA vertreten, die auch auf die Schweiz übertragbar ist: Die Tiere zu betäuben bevor man ihnen die Kehle durchschneidet, macht gemäss Francione durchaus ökonomisch Sinn. Denn wenn eine Kuh austritt, wenn sie aufgehängt wird, kann dies zu enormen Verletzungen bei den Schlachtereimitarbeitenden führen, sowie das Fleisch der Kuh beschädigen. Das erklärt auch, warum kleine Tiere (meist Geflügel, die eben *keine* Säugetiere sind) gerade nicht betäubt werden müssen, sowohl in den USA, als auch in der Schweiz: Geflügel verursacht keine Verletzungen am Metzgereipersonal und die Beschädigungen am Körper halten sich auch in Grenzen.

Fassen wir nun zusammen: Das Gesetz versucht „unnötige“ Praktiken in Praktiken zu verhindern, welche selber vollkommen überflüssig sind. Das Gesetz versucht nur dort einzugreifen, wo es ökonomisch sinnlos ist, dem Tier Leid hinzuzufügen. Als weiteres Beispiel hier zum Beispiel das Enthornen. Für Kühe eine schmerzhafte Tortur, welche aber die Effizienz der Haltung steigert. Die Tiere können sich im Klartext weniger gegenseitig verletzen. Daher ist die Praxis auch nicht verboten.

Eine Tieranwaltschaft versorgt diese hirnrissigen Gesetze mit einem Prestige, den sie nicht verdient haben. Eine Tieranwältin kann beispielsweise nicht die Tötung von Tieren grundsätzlich angreifen, das Gesetz erlaubt das Töten von Tieren explizit.
Wie können wir aus diesem Dilemma heraus? 

1. Wir müssen den Veganismus als Alternative bekannter und attraktiver machen.
2. Wir müssen versuchen ganze Nutzungsfelder zu verbieten und nicht einfach nur die Nutzungsbedingungen zu verbessern oder einzelne Praktiken innerhalb der Nutzung verbieten. Ziel muss die Abschaffung jeglicher Nutzung von nicht-menschlichen Tieren sein!

Daher: Werdet vegan und unterstützt den politischen Wandel in dieser Frage!



[1] Natürlich sind hier Notfallsituationen ausgenommen, aber in solchen Situationen wäre es auch in Ordnung den Freund zu verspeisen um das eigene Leben zu retten. In unserem Kontext, in dem wir im Supermarkt einkaufen können, gilt das natürlich nicht. Und wenn ich von „Nahrungszwecken“ schreibe, dann meine ich implizit auch andere Nutzungen von Tieren beispielsweise in Zoos oder für Bekleidungszwecke mit.

Samstag, 12. September 2015

Dafür stehe ich!

Am 18. Oktober sind Eidgenössische Wahlen. Ich kandidiere auf der Liste 17 der Jungen Grünliberalen auf Platz 6.
Wofür stehe ich? Dafür ist dieser Post gedacht.

1. Ehe für alle – Eingetragene Partnerschaft für alle
  • Ehe für alle: Ehe auch für Homosexuelle
  • Eingetragene Partnerschaften auch für heterosexuelle Paare (Vorbild PACS in Frankreich)
  • Fremdadoptionen auch für homosexuelle Paare möglich machen
2. Grundrechte vor staatlichen Übergriffen schützen
  • Wer sich an Gesetze hält soll weder im Internet (BÜPF) noch im öffentlichen Raum von Kameras überwacht werden -Schnellverfahren zum Beispiel bei Fussballspielen abschaffen
  • Keine Sonderjustiz gegen Sportfans, gegen das sog. „Hooligan-Konkordat“
3. Gleichstellung der Geschlechter 
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit (Staat muss mehr dafür tun) 
  • Kindererziehung für alle Geschlechter besser vereinbar mit dem Beruf machen
  • Keine behördlichen Schikanen für Trans*-Menschen 

4. Gesunde Finanzen für unsere Nachkommen 
  • Staat darf nicht mehr Geld ausgeben, als er einnimmt
  • Schuldenbremse
  • Tiefe Staatsquote sichern
 5. Energiepolitik: Kostenwahrheit
  • Subventionierung von AKW-Strom stoppen
  • Externe Kosten von CO2-lastigen Technologien internalisieren
 6. Humanitäre Tradition leben
  • Flüchtlinge schützen
  • Mehr Geld in der Entwicklungszusammenarbeit
  • Aktive und offene Aussenpolitik
7. Liberale Wirtschaftsordnung behalten
  • Flexibler Arbeitsmarkt
  • Gesunder Wettbewerb
  • Gründungswillige nicht mit Bürokratie abschrecken

Freitag, 17. Juli 2015

Reaktion zu "Es wird lauter im Bergholz"

Wird das Bergholz bald von leidenschaftlichen TürkInnen überrannt? Ich denke nicht. (Bild: Gemeinfrei)
Momentan scheint ja bei gewissen Zeitungen eine Art Sommerloch zu bestehen. Der Blick übertrifft sich mit neuen Erkenntnissen über die Lohnstruktur und anti-türkischen Äusserungen. Aber auch das Tagblatt und ihr Regionalteil die Wiler Zeitung beschäftigen sich seit Tagen nur noch mit dem FC Wil. Die Frage sei erlaubt, ob so kritisch über einen Investor berichtet wird, wenn es um den FC St. Gallen gehen würde.

Als Fans könnte uns diese negative Berichtserstattung mehr oder weniger egal sein. Doch nun berichtete die Wiler Zeitung heute über das Thema Fans. Die Prämisse des Textes ist schon einmal sehr befremdlich. Da es sich um türkisches Geld handle, müsse dies ja auch türkische Fans anziehen. Dann beschäftigt sich das Blatt mit der Lautstärke und dem Gewaltpotenzial dieser hypothetischen Fans. Diese Türken, die angeblich bald zu den Spielen des FC Wil strömen würden, seien unglaublich laut, aber anständig. Im Gegensatz zu den "bösen" und "aggressiven" balkanstämmigen Fans. Dies behauptet zumindest der Präsident des OFV Stephan Häuselmann. Warum Hans Suter Herrn Häuselmann, der sich mit Breitensportfussball beschäftigt, zum Profifussball befragt, bleibt schleierhaft.

Ach ja und schweizerische Fans gibt es übrigens auch. Und die meisten Hooligans seien sowieso Schweizer. Was spielen Nationalitäten hier überhaupt für eine Rolle? Kriegen wir das Problem in den Griff wenn wir die Fans je nach Nationalität mehr oder weniger gut durchsuchen und überwachen?
Ausserdem: Was ist mit uns Fans, die seit Jahrzehnten an die Spiele des FC Wils gehen. Und damit meine ich nicht nur die aktive Fanszene im Sektor D sondern auch der Sektor B. Hat Hans Suter tatsächlich das Gefühl der FC Wil wird von türkischstämmigen Fans überrannt, die nun die Stimmung im Bergholz bestimmen? Nichts gegen Türken, aber die Fanszene des FC Wil ist kein leerer Raum. Das gilt für alle Fans die neu zu den Spielen des FC Wils kommen.

Zuerst veröffentlicht bei Sektor D

Freitag, 10. Juli 2015

Meine ambivalente Haltung zu den Investoren beim FC Wil

Bald vergangene Bilder? (Bild: von mir in Lugano im Februar 2015,
CC BY-NC-SA 4.0)
Ich hab mich an anderer Stelle auf diesem Blog bereits zu Entwicklungen im modernen Fussball geäussert. Bei Red Bull Salzburg und RB Leipzig, habe ich festgestellt, dass es sich um eine besondere Form davon ist, was momentan allgemein im Fussballgeschäft passiert. Red Bull hat in den Fussball oder in den Spitzensport nichts wesentlich neues gebracht, es handelt sich nur um eine neue Dimension.

Als in Wil das Bergholz in IGP-Arena umbenannt wurde, wehrte ich mich dagegen. Auch weil der Verein falsch mit Kritik umging. Mir war immer klar, dass heutzutage ein Verein auf Geld seiner Sponsoren angewiesen ist. Ohne geht es - zumindest im Profifussball - nicht mehr. Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass wir nicht alle Grundwerte über Bord werfen. Es kann beispielsweise nicht sein, dass eine Fankurve akzeptiert und gefördert will, weil sie sich für das Marketing eignet, aber schliesslich abgeklemmt wird, wenn die Szene sich unbequem äussert.

Ähnlich sieht es bei mir auch bei den neuen türkischen Investoren der MNG-Gruppe die den FC Wil nach vorne bringen wollen. Die FIFA will third-party ownerships im Fussball verhindern. (Warum sich die FIFA auf solche obskuren Dinge konzentriert und nicht am System Fussball grössere Dinge verändert, ist mir schleierhaft.) Es ist klar, dass der FC Wil Geld für seinen Spielbetrieb braucht. Es geht offensichtlich nicht ohne solche Finanzierungsquellen. Merchandise, Eintritte und Prämien reichen in der NLB einfach nicht.

Aber dennoch: Es ist irgendwie nicht der Fussball den ich mir wünsche. Mir ist aber auch klar, dass diese romantische Vorstellung von Fussball niemals existiert hat und wohl auch gar nicht existieren kann beim heutigen Fussball.

Ich bin innerlich gespalten. Schön wäre es aufzusteigen ohne grosses Budget nur mit engagierten Spielern und einem guten Coach. Aber das passiert höchstselten. Darmstadt ist vielleicht eine Ausnahme.

Und ich muss auch zugeben: Mit dem Loser-Image des FC Wils habe ich mich in den vielen Jahren auch mittlerweile auch angefreundet. Ich hänge schon fast daran. Dass eine solche Übernahme überhaupt möglich ist, liegt daran, dass der FC Wil seit seiner NLA-Zeit eine AG ist. Das Thema FC Wil 1900 AG ist aber ein ein anderes Thema, welches es verdient hat andernorts nochmals besprochen zu werden.

Freitag, 26. Juni 2015

Tierschutz, DPS, Religionsfreiheit und das Schächten

Angus-Rinder, welche meist für Fleisch getötet werden. (Scott Bauer, Public Domain: Quelle)
Wer sich die Reden des DPS-Präsidenten Ignaz Bearth anhört, wird merken, dass er das Thema "Tierschutz" immer wieder betont. Wie mit diesem Thema in der rechten Szene umgegangen wird. Meistens zeigt der Begriff "Tierschutz" bereits, dass ich mit der Herangehensweise nicht viel anfangen kann. Es wird zum Beispiel nicht gefragt, ob man denn überhaupt schlachten muss, sondern nur wie man "tierfreundlicher" schlachten kann. Ich habe mir also das Parteiprogramm der Kleinstpartei DPS angeschaut.
Tiere brauchen genügend Platz, um Artgerecht (sic!) leben zu kennen (sic!). Was wir der Natur nehmen, sollten wir auch mit Respekt behandeln. Wir haben, wie auch gegenüber der Natur, den Geschöpfen der Natur eine Verantwortung zu tragen. Angemessener Platz und Haltung sind für uns wichtige Aspekte des Tierschutzes. Tageslicht, frische Luft, Auslauf sind Dinge welche der Mensch braucht, bei den Tieren ist es nichts anderes. Auch sie fühlen, empfinden & leben. 
Wenig Konkretes. Nicht ungewöhnliches für ein Parteiprogramm. Konkreter, sehr viel konkreter wirds beim Thema "Schächten":
In der Schweiz ist es seit 1893 verboten zu schächten. [Anmerkung: Erste eidgenössische Volksinitiative die angenommen wurde, mit ua. antisemitischen Motiven.] Leider gibt es trotzdem Personen in der Schweiz die das tun. Sobald Hinweise vorliegen oder Vermutungen sollte man diesen vermehrt nachgehen. Denn es ist eine absolute Frechheit aus religiösen Gründen auf diese brutale Art und Weise zu töten. Auch kam es in naher Vergangenheit dazu, dass zum Beispiel Asylanten Tiere von der Weide gestohlen haben, die Tiere auf skandalöse Weise scha chteten und das Fleisch dann im Asylheim im Kühlschrank aufbewahrten. Solch ein Verhalten dulden wir in der Schweiz in keiner Art und Weise! 
Es ist höchst interessant, dass genau dieser Aspekt aus dem ganzen Bereich der ganzen Tierschutzdebatte herausgegriffen wird. Bemerkenswert ist auch die Verbindung zur Asyl-Thematik. Plötzlich bringt man auch noch Asylsuchende mit in die Schächtdebatte. Eins ist auf jeden Fall klar: Die echten SchweizerInnen sind auf jeden Fall nicht das Problem, sondern die "von ausserhalb".

Ich habe mich an anderer Stelle bereits zur Debatte zur Schächtdebatte geäussert. Der Artikel hatte einen starken Bezug auf Antisemitismus und streifte die Islamfeindlichkeit, wenn überhaupt, nur am Rande. Die DPS richtet sich mit ihrem Statement gegen das Schächten tendenziell gegen die Muslime.

Um es hier einmal klar zu sagen: Ich bin der Meinung, dass Religionsfreiheit einfach Gewissensfreiheit ist. Man darf also glauben was man will, egal wie absurd und irrational etwas ist. Es sollte aber kein Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit geben. Was bedeutet das? Religionsfreiheit geht weiter als die Meinungsfreiheit. Gewisse Handlungen sind erlaubt, wenn sie eine religiöse Komponente enthalten, die im weltlichen Raum nicht zugelassen sind. Mein Lieblingsbeispiel sind die Sikh, die auf Flügen ihre traditionellen Dölche mitnehmen dürfen, obwohl man das wegen Sicherheitsbedenken nicht mehr darf.

Eine solche Ausdehnung der Religionsfreiheit halte ich für nicht sinnvoll. Eine religiöse Gemeinschaft sollte nicht mehr Vorteile haben als eine andere Gruppe die sich über eine Idee begreift. Oder würden wir einer politischen Gruppe das Recht zu gestehen, Dinge zu tun, die sie sonst nicht tun würden? Wenn wir zum Beispiel annehmen würden, dass ein Mitglied einer Offiziersgesellschaft sich nicht von seiner Pistole trennen möchte, dann machen die Sicherheitsbehörden hier ja auch keine Ausnahme.

Die Schächtfrage ist aber aus einem anderen Grund interessant. Auf der einen Seite ist klar, dass Schächten eine brutale Weise ist zu sterben. Aber ich denke, diese Schlachtmethode ist nicht wesentlich besser oder tierfreundlicher als andere Methoden nicht-menschliche Tiere zu töten. Eine Jagd ist für ein Reh sicherlich unangenehmer als geschächtet zu werden. 

Ich denke man kann das Schächten sicherlich verbieten, aber schlussendlich nur, wenn man alle anderen Schlachtmethoden verbietet, die an nicht-menschlichen Tieren praktiziert werden. Es geht der DPS definitiv nicht um das Wohl der Tiere, wenn sie sich mit dem Schächten befasst.

Montag, 15. Juni 2015

Review: "Silicon Valley" - Season 2

Dinesh und Gilfoyle, zwei Angestellte von Pied Piper. (HBO: Frank Masi, Fair Use)
 Ich hatte ja bereits über die erste Staffel eine Review über die HBO-Serie "Silicon Valley" verfasst. Es geht darin um eine junge Firma, die sich auf Videokompression spezialisiert haben. Gerade für Firmen mit einer extrem grossen Medienbibliothek haben ein Interesse daran, dass ihre Videos möglichst stark komprimiert werden. Damit können Server, Traffic und damit bares Geld gespart werden.

In der Serie ist einer der Interessen eine Pornoproduktionsfirma. Und es stimmt: Innovation kommt im Medienbereich sehr oft aus dieser Branche. 4k-Video ist bei vielen Plattformen bereits Standard.

Bei Pied Piper ist die Hölle los. (HBO: Screenshot des Autors, Fair Use)
Die Serie hat hier einen starken Realitätsbezug, gerade wenn man daran denkt, dass sich gerade HEVC (High Efficiency Video Coding) durchsetzt. HVEC (H.265) ist doppelt so effizient wie H.264. Wir sparen also die Hälfte der Grösse ein ohne Qualitätsverlust. Und denken wir an die neuen Codecs wie x265, die recht neu sind. Der Codec x265 konnte sich bisher noch nicht ganz durchsetzen. Das sieht man beispielsweise daran, dass es in der Warez-Scene (aus der viele "Raubkopien" stammen) noch kein rule agreement zu x265 gibt.

Aber zurück zur Serie. Eine solche Firma ist kein Selbstläufer, das weiss man seit der ersten Staffel. Auch in der zweiten Staffel kommt es wieder und wieder zum Schlagabtausch mit Hooli (einer Art Parodie von Google).

Die Macher der Serie haben einen guten Job gemacht, denn die Aufgabe nach der grossartigen ersten Staffel auf einem so hohen Niveau zu bleiben humortechnisch, war nicht einfach.  Die zweite Staffel war gut geschrieben, aber vielleicht nicht ganz so lustig wie die erste. Anschauen lohnt sich aber auf jeden Fall!

Samstag, 6. Juni 2015

Red Bull im Fussballgeschäft - Gute Sache oder Tod des Fussballs?

Im Jahr 2005 solidarisierte sich auch die Wiler Fanszene (hier in Wohlen) mit der SV Austria.
2005 übernahm die Getränkefirma Red Bull die SV Austria Salzburg. Damals hatten die Fans grosse Hoffnungen. Für uns in der Schweiz völlig unvorstellbar, hat Sponsoring im Fussball in Österreich eine ganz andere Dimension. Austria Salzburg hatte mehrfach Sponsornamen im Vereinsnamen:
  • 1973 bis 1976 SV Gerngroß A. Salzburg (Ein Kaufhaus)
  • 1976 bis 1978 SV Sparkasse Austria Salzburg (Eine Bank)
  • 1978 bis 1997 SV Casino Salzburg (Ein Casionobetreiber)
  • 1997 bis 2005 SV Wüstenrot Salzburg (Eine Versicherung)

Das Logo von 1978 bis 1997. Das "C" steht für den Namenssponsor "Casino Austria".
Wenn man bedenkt, dass sich zum Beispiel die Phase zwischen 1978 bis 1997 im Logo ausgedrückt hat, muss man sich wirklich fragen, was am Red Bull-Einstieg so besonders war.

Ist der Red Bull-Einstieg besonders?
Hier einige Dinge die 2005 geändert wurden:
  • Der Name wurde zu FC Red Bull Salzburg gewechselt.
  • Die Klubfarben wurden faktisch geändert in die Farben von Red Bull.
  • Das Logo des Vereins wurde faktisch durch das Markenzeichen von Red Bull ersetzt.
  • Der Verein wollte als Gründungsjahr 2005 angeben lassen, wollte also auf alle Erfolge in der Vergangenheit verzichten, das schaffte der Verein aber nicht. Mittlerweile verweist der Verein wieder auf seine Tradition.
  • Red Bull kontrolliert den Verein per Sonderrecht in der Satzung.
Setzen wir diese Dinge etwas in Relation. Das der Namen gewechselt wurde ist nichts besonderes meiner Meinung nach, hingegen die Farben des Vereins aufzugeben schon. Das das Logo effektiv durch das Logo der Marke ersetzt wurde ist eine neue Dimension, aber an sich auch nicht etwas völlig Neues. Die Sache mit dem Gründungsjahr und den Verzicht auf jegliche Tradition und so weiter, hat sich mittlerweile auch erledigt. Bleibt nur noch die mangelnden Mitsprachemöglichkeiten im Verein. Dieser Punkt muss meines Erachtens definitiv kritisiert werden.

RB Leipzig?
Bei RBL sind einige Dinge anders gelaufen. So ist kein namhafter Verein übernommen worden, sondern der Verein ist quasi aus dem Nichts entstanden. Bei RedBull Salzburg könnte man noch von einem Verein sprechen, weil er auch eine gewisse Zahl an Mitgliedern hat, während die Leipziger in den ersten fünf Jahren unter zehn Mitglieder hatten. Mittlerweile hat sich dieses Verhältnis gebessert, nur sind die Mitgliederbeiträge sehr, sehr hoch. Das Ausmass an Kritik an Red Bull hat ein neues Level erreicht seit RB in die 3. Liga kam. Viele Fans diverser Vereine haben sich an diesem Diskurs beteiligt, in dem sie sich eigentlich auf der anderen Seite befinden sollten. So zum Beispiel Fans des FC Ingolstadt (gegründet 2004 und Sponsor hauptsächlich Audi) oder die des TSG Hoffenheim (die vom SAP-Gründer Dietmar Hopp in die Bundesliga gehoben wurden). Diese Gruppen engagieren sich in der Nein-zu-RB Kampagne. Störend ist, dass Kritik von den Verantwortlichen wo immer möglich unterbunden wird. Beispielsweise im Stadion.

Ich glaube wir müssen kritisieren, dass Werbung zum Selbstzweck wird, wenn man einen solchen Verein hat. Alles, wirklich alles ist auf die Vermarktung ausgelegt ist. Wir dürfen aber die Selbstkritik nicht vergessen. Red Bull ist scheisse. Red Bull ist nicht den Fussball den ich will. Aber seien wir an dieser Stelle einmal ehrlich: Wenn wir RB kritisieren, dann müssen wir den Fussball als Ganzes kritisieren, wie er heute funktioniert. Auch bei unseren Vereinen wird der Verein durchkommerzialisiert. Stadionnamen werden verkauft und alles wird probiert um Fussball für die Konsumierenden auf den Couches attraktiver zu machen. In derart vielen Vereinen werden Vereine in AGs umgewandelt und die FussballanhängerInnen nicht in den Prozess miteinbezogen. Eine Möglichkeit sind die fangeführten Vereine wie die neugegründete SV Austria Salzburg, der FC United of Machester, der AFC Wimbledon oder der HFC Falke.
 
Für viele Vereine sind Ultras nur eine Möglichkeit den Verein zu vermarkten. Dagegen müssen wir und ich uns wehren! Wir dürfen beim Thema Red Bull keinen Double Standard aufbauen.

Weiterlesen zur Thematik
Dissidenti Ultra Düsseldorf: "Scheiss Bullen - Das Problem ist das System".
http://dissidenti-ultra.de/scheiss-bullen-das-problem-ist-das-system/

Pugnatores Ultras (FSV Frankfurt): "Auswärtspiel RB Leipzig".
http://ultra385.de/?p=1374

Supporters Club Düsseldorf: "Früher galten Kunst oder Yachten als Statussymbol - heute Fußballspieler und ganze Vereine".
http://www1.scd2003.de/index.php?id=42&tx_news_pi1[news]=56&tx_news_pi1[controller]=News&tx_news_pi1[action]=detail&cHash=ae175f677a7b54ed7155e81079efbeaf

Vice Sports: "'Stellt sie an die Wand'——Wie sich die Kritik an RB Leipzig der Nazi-Rhetorik bedient".
https://sports.vice.com/de_de/article/stellt-sie-an-die-wandwie-sich-die-kritik-an-rb-leipzig-der-nazi-rhetorik-bedient

Matthias Kiessling (Die Zeit): "Red Bull ist nicht das Problem."
http://www.zeit.de/sport/2015-04/rb-leipzig-profifussball-wettbewerb

Alex Feuerherdts Interview mit Nico Neubert von den sog. "Ultras Red Bull" (Gruppe ist Satire): "Für den modernen Fusssball".
http://jungle-world.com/artikel/2010/34/41620.html

"Ultras Red Bull Leipzig": "Ultra-Manifest der URBL".
https://ultrasrbl.wordpress.com/2010/07/11/%e2%80%9eultra-manifest%e2%80%9c-der-urbl/


Samstag, 16. Mai 2015

Peter Singer an der Uni Zürich: Schlechte Erinnerungen

Peter Singers TED-Talk. (Lizenziert unter CC: Quelle)
 Im Mai 1991 war Singer bereits einmal an der Uni Zürich zu Gast gewesen. Es wurden während dem Vortrag "Singer raus! Singer raus!" gerufen.(1) Ein Demonstrant hatte sogar Singers Brille entrissen und zu Boden geworfen. Singer brach schliesslich den Besuch ab.(2) Die Kritik richtete sich gegen die Thesen von Singer zu Abtreibungen und Infantizid gerade von behinderten Kindern.

Nun ist 24 Jahre später Singer wieder zu Gast an der Uni Zürich. Am 18. Mai spricht er zum 20. Jubiläum des Ethik Zentrums über Effective altruism.

Gerade ist in Deutschland die Debatte wieder hitzig losgebrochen. Scheinbar ist die Diskussion von Singers Thesen auch nur im deutschsprachigen Raum derart vergiftet. Zum Beispiel gerade ganz extrem auf RollingPlanet.net, einem Internet-Portal für Behinderte.(3) Aber auch linke Publikationen wie die Junge Welt sind für recht harsche Kritik an Singer zu haben. Wobei mir nicht ganz klar wird, was sie genau an Euthanasie an Kindern mit Spina bifida auszusetzen haben.(4) Der Humanistische Pressedienst lieferte schliesslich ein Interview mit Michael Schmidt-Salomon zum Artikel der jW. Schmidt-Salomon:
In Deutschland wird immer wieder behauptet, Peter Singers Position sei "behindertenfeindlich", obwohl er selbst für eine "behindertenfreundlichere Politik" eintritt. In dem heftig umstrittenen Buch "Muss dieses Kind am Leben bleiben?", das Peter Singer zusammen mit Helga Kuhse schrieb, heißt es dazu: "Wir meinen, dass die reichen Nationen sehr viel mehr tun sollten, um behinderten Menschen ein erfülltes, lebenswertes Leben zu ermöglichen und sie in die Lage zu versetzen, das ihnen innewohnende Potential wirklich auszuschöpfen. Wir sollten alles tun, um die oft beklagenswert schlechte institutionelle Betreuung zu verbessern und die Dienstleistungen bereitzustellen, die behinderten Menschen ein Leben außerhalb von Institutionen und innerhalb der Gemeinschaft ermöglichen". Man muss dazu auch wissen: Weltweit wird Singer angegriffen, weil er "linke Positionen" vertritt, nur im deutschsprachigen Raum wird ihm merkwürdigerweise das komplette Gegenteil vorgeworfen. Ich habe auf diese sowie verschiedene andere Punkte bereits vor vier Jahren hingewiesen. Leider hat dies an den Vorurteilen gegenüber Peter Singer nur wenig geändert.(5)
Hierzu gibt es meinerseits nichts hinzuzufügen.
________________
(1): Peter Singer: Praktische Ethik, Stuttgart 1994, S. 449.
(2): Vgl. auch https://en.wikipedia.org/wiki/Peter_Singer#Protests
(3): Vgl. http://rollingplanet.net/2015/05/12/stoppt-peter-singer/
(4): Vgl. https://www.jungewelt.de/2015/05-12/018.php
(5): http://hpd.de/artikel/11717

Freitag, 15. Mai 2015

Leid reduzieren: Darum ja zur PID-Vorlage

Am 14. Juni wird unter anderem über die Präimplantationsdiagnostik-Vorlage (PID) abgestimmt. Die Schweiz hat eines der strengeren Gesetze zur Fortpflanzungstechnologie. Das finde ich schade. Die Vorlage versucht hier etwas nachzuholen, was viele Länder bereits erfolgreich eingeführt haben.

Wie funktioniert PID?

Worum geht es?
Heute darf man nur so viele Embryonen züchten, wie man auch einpflanzen kann (d.h. drei Eizellen). Die Änderung ist eigentlich nur ein Nebensatz. Mit der Vorlage sollen eine grössere Zahl an Eizellen (d.h. 12 Eizellen) herangezogen werden können. Man kann damit das Risiko von gefährlichen Mehrlingsgeburten senken. Allgemein werden Risiken für Mutter und Kind gesenkt.

Erbkrankheiten und angebliche Abwertung behinderter Menschen
Das Problem das Behindertenverbände jetzt kritisieren ist die Möglichkeit, dass man auch Erbkrankheiten und konkret Behinderungen erkennen und damit verhindern könnte. Dies würde zu einer Abstufung des Wertes von Behinderten führen.

Zuerst einmal: Bereits jetzt darf man feststellen, ob ein Kind z.B. Trisonomie 21 (Down-Syndrom) hätte und diesen Zillklumpen auch nicht einpflanzen. Es ist wichtig, dass wir behinderten Menschen unsere Unterstützung geben. Wir sprechen hier aber von Eizellen, die nicht fähig sind Schmerzen zu empfinden und die keine Menschen sind. Ja, wenn eine Frau mit einem Trisonomie 21-Kind schwanger ist und sie dieses Kind nicht bekommen will, dann kann eine "Nicht-Einpflanzung" deutlich Leid reduzieren, sowohl bei der Mutter, als auch beim Kind. In solchen Fällen ist m.E. ein solches Vorgehen sogar geboten. (Natürlich kann man sich auch dagegen entscheiden. Man fügt aber schliesslich dem Kind und sich selber enormes Leid zu, wenn man dazu nicht in der Lage ist, mit der Situation klarzukommen. Wenn jemand aber mit dieser Wahlfreiheit ein Problem hat, müssen wir an dieser Person arbeiten und nicht an den Methoden.)

Das Plakat der GegnerInnen
Als Sujet der Gegner sehen wir zwei Hände in Gummihandschuhe, die ein Bild eines Mädchens mit Down Syndrom zerreissen. Folgende Probleme: 1. Es handelt sich bei diesen Eizellen eben gerade nicht um geborene Menschen. Es ist ein unempfindsamer Haufen an Zellklumpen nicht mehr. Und bitte liebe GegnerInnen kommt mir nicht mit dem Konzept der Seele oder Gott, so etwas in einer politischen Diskussion nichts verloren. 2. Die Handschuhe deuten darauf hin, dass einE WissenschaftlerIn oder ein Arzt/eine Ärztin das "Leben" dieses Mädchens beendet. Oder die "Potenz des Lebens", wie so manche Leute dazu sagen (meist aus einem theologischen Kontext heraus, warum bloss?!). Letztlich sind es die Eltern die entscheiden und nicht ein böses Wesen.

Die Bischöfliche Kommission für Bioethik
In ihrem Flyer stellt die Kommission reichlich Fragezeichen in der Gegend auf.

1/ Da der menschliche Embryo von der Zeugung an als Person betrachtet werden muss, stellt die PID eine schwerwiegende Verletzung der wesenseigenen Würde des Menschen dar.
2/ Eine Krankheit wird nicht geheilt, sondern sie wird vermieden, indem man den Träger der Krankheit aussondert, was nicht zu rechtfertigen ist. 
3/ Die PID benötigt zum Zweck der Auswahl die willentliche Erzeugung von Embryonen (liberale Eugenik).
4/ Man nimmt sich das Recht heraus, zu entscheiden, wer es verdient zu leben und wer nicht.
 Zu 1.: Sie kritisieren in der Kommission beispielsweise, dass es willkürlich ist, was eine "schwere Krankheit" ist und was nicht. Was sicher teilweise stimmt. Aber sie nehmen den Begriff der Person mithinein, der im theologischen Kontext einfach bei der Zeugung einsetzt. Warum das so ist? Darauf kann man keine gute (d.h. säkulare) Antwort bringen.

Zu 2.: Also wie gesagt, dieser "Träger" ist ein unempfindsamer Zellklumpen und kein Mensch. Man darf diesen "Träger" also aussortieren, wenn dies Nutzen bringt.

Zu 3.: Eugenik? Das Geschlecht wird nur bei Verdacht auf Erbkrankheiten, die damit verbunden sind herausgefunden. Haarfarbe etc. wird nicht festgestellt. Ausserdem Aussortierung aufgrund von Geschlecht, Haarfarbe etc. weiterhin illegal. Hier von Eugenik zu sprechen ist etwas gesucht.

Zu 4.: Das machen wir doch ständig! Wenn man ein Kondom benutzt, dann entscheidet man sich auch dafür dass ein "potenzielles Kind" nicht leben darf. Selbst wenn ich Verhütungsmittel benutze, dann könnte ich mich beispielsweise gegen Geschlechtsverkehr entscheiden und somit ein "potenzielles Leben" verhindern. Liebe Ethik-Kommission, darf nur "Gott" entscheiden ob ein Kind leben darf oder nicht? Ist es das, etwas versteckt?

Dienstag, 5. Mai 2015

Fussball macht manche Erwachsene zu Kindern

Sonntag in Genf. (Bild: Sektion K.O.M.A.)
Am letzten Sonntag reiste ich nach Genf um den FC Wil zu unterstützen. Um das Spiel wird es hier jetzt nicht gehen, mehr um das "Drum-Herum": Als wir den Gästeblock verliessen roch es stark nach Schwefel. Vermutlich hatte jemand eine Stinkbombe oder etwas Ähnliches platziert, denn vor dem Spiel stank es nicht derart.

Fussball macht gestandene Männer zu kleinen Kindern. Auf der einen Seite ist das ganz schön, man kann sich etwas austoben und seine Kreativitität ausleben. Aber da gibt es noch die andere Seite. Stinkbomben sind hier nur die Spitze des Eisberges und letztlich irgendwie noch lustig.

In der Fussballfanszene besonders in der Ultrà-orientierten Szene gibt es ein unglaubliches Männlichkeitsstreben. Teil davon sind immer auch Mutproben, die beweisen sollen, wie hart man ist. Das gestaltet sich konkret etwa so, dass man mit den Sicherheitskräften den Konflikt sucht, Pyrotechnik schmuggelt, nur um zu zeigen, dass "man es auch einmal geschafft hat". Dazu prahlt man in den einschlägigen Plattformen im Internet und verteilt Beleidigungen.

Und wenn man sich verbal nicht mehr wehren kann, dann kommt es zu körperlicher Gewalt. Wenn eine Seite wieder ausfällig geworden ist, dann kommt es wieder zu Versuchen zu den Gegnern (den "Feinden") durchzudringen und sie in die "richtige" Position zu verweisen.

Störend ist diese hierarchische Ordnung in dieser Subkultur. Erstens bei den Gruppen. Wer bringt am meisten Leute, wie weit? Wer ist am lautesten? Wer zündet am meisten Pyrotechnik? Am schlimmsten: Wer kann dem Gegner die meisten Fanutensilien abnehmen? Und zweitens in den Gruppen selber: Wer besucht die meisten Spiele? Wer singt am lautesten? Wer traut sich die meisten Sachen? Wer ist am längsten dabei? Welcher Gruppierung gehört er an? Alle diese Faktoren führen zu einer extrem kampfbetonten Athmosphäre.

Worauf will ich hinaus? Ich will der Fanszene nicht nehmen, dass es eine Art Wettbewerb auf den Rängen gibt. Das ist glaube ich auch Essenz der Tätigkeit, nämlich die Mannschaft möglichst effektiv zu unterstützen. Aber kann es sein, dass sich diese diffusen Trends durchsetzen, dass man sich ständig prügeln und den Gegner ihre Fanutensilien klauen muss? Müssen wir als Fans immer beweisen, wie hart (und letztlich "männlich") wir sind? Können wir nicht einen Gang runterschalten und die ganze Angelegenheit entspannter anschauen?

Zurück zum Anfang. Die Stinkbomben in Genf. Ist es nicht seltsam, dass Menschen wenn es um Fussball geht ihr Hirn plötzlich ausschalten manchmal? Würde eine erwachsene Person eine Stinkbombe anbringen um Leute zu ärgern, die sie nie kennengelernt hat. Leute, die die erwachsene Person nur "hasst", weil man sie eben "hasst"? Nein, würde man nicht.

Es ist völlig unverständlich für mich, wie man Menschen hassen kann, die man nie kennengelernt hat. Ich meine letztlich gehört auch ein bisschen Provokation zum Fussball, aber man sollte sich doch schon bewusst sein, dass man sich nicht völlig inkohärent dazu verhält, wie man es sonst tun würde.

Samstag, 11. April 2015

Reimann zu Sentience Politics: "Erinnert an DDR"

Der Post von Lukas Reimann (Quelle)
Lukas Reimann fühlt sich bei der Sentience Politics Initiative, dass er sich an die DDR erinnert fühlt. Die bösen Linken und Grünen würden ihm vorschreiben, was er essen habe.

Hierzu stelle ich fest:

1. Herr Reimann hat offensichtlich den Artikel nicht gelesen oder verdrängt zumindest den Inhalt, damit er sich etwas empören kann. Im Blick-Artikel steht:
Betreffen würde der Vorstoss Verpflegungsstätten an Schulen, Unis, beim Militär oder in öffentlichen Betrieben. Von einer Essens-Vorschrift für die Zürcher Bevölkerung will Mannino aber nichts wissen. «Wir wollen den Leuten im Privaten nicht dreinreden, was sie zu essen haben. Darum betrifft die Initiative auch öffentliche Einrichtungen.» (Quelle)
 2. Dass sich Reimann an die DDR erinnert fühlt, erstaunt mich. Schliesslich führt die Initiative zu mehr Auswahl. Und wenn man sich bei mehr Auswahl an die DDR erinnert fühlt, dann sprechen wir vielleicht nicht von der selben DDR.

Glücklicherweise wurde der Post von Sentience Politics BewürworterInnen eingedeckt.

Donnerstag, 9. April 2015

Review: "Hannas Reise (2014)"


Itay und Hanna an einer Purim-Party.
 Eine deutsch-israelische Produktion. Seltsam, wenn man sich die Entstehungsgeschichte des Staates Israels vor Augen führt. Die Zeiten haben sich aber scheinbar geändert. Mittlerweile sind die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland sehr gut und die meisten israelischen Menschen haben ein grundsätzlich positives Bild von Deutschland. Gerade viele junge Israelis ziehen nach Berlin. Offenbar ist auch für sie Berlin eine Trendstadt.

Einer dieser jungen Israelis ist Itay (gespielt von Doron Amit), der auch gerne nach Berlin ziehen würde. Ein Schicksalschlag hält ihn aber zurück. Hanna (gespielt von Karoline Schuch) steht kurz vor dem Abschluss ihres BWL-Studiums und braucht für ihren Job noch ein wohltätiges Praktikum in ihrem Lebenslauf. Dafür beschafft sie sich über ihre Mutter, welche eben solche Praktika in Israels vergibt unter der Hand einen Praktikumsplatz in einem israelischen Behindertenheim. Hanna lebt in einer WG zusammen mit Carsten (Maximilian Mauff) und Maja (Lore Richter). Zu ihrem Wochenprogramm gehören neben ihrer Arbeit auch Treffen mit einer Überlebenden der Schoah.


Mein „Problem“ mit dem Film ist, dass er die Probleme sehr karikativ und oberflächlich behandelt. So hört man von Hanna hin und wieder Sätze, die ich auch selber oft höre, dass man doch endlich einen Schlussstrich ziehen müsse und die Sache mit der Schoah eigentlich abschlossen sein sollte. Man habe ja schliesslich nichts getan, auch die eigenen Grosseltern nicht Diese Einstellung wirkt bei Hanna übertrieben, gerade wenn wir daran denken, dass sich gerade ihre Mutter sehr intensiv mit Israel und der deutschen NS-Vergangenheit befasst hat. Der. Aber auch die Mitbewohner sind etwas klischeehaft dargestellt. – ich sag einmal – „Philosemit“ Carsten – obwohl er sich nur einmal dazu äussert – und auf der anderen Seite die radikale und verblendete Antizionistin Maja. An einem Punkt witzelt Maja zynisch darüber, dass Carsten Itay heiraten könne. Es sei für beide eine Win-Win-Situation. Itay könne nach Deutschland und Carsten würde endlich Jude werden. Carsten antwortet darauf unter anderem mit: „Die Henschels, seit drei Generationen aktiv gegen die Juden.“ Carsten spielt dabei auf gewisse Kontinuitäten zwischen Antisemitismus und dem sog. Antizionismus an. An sich ein interessantes Thema. Es wird aber recht kurz angeschnitten. Auch für einen Spielfilm im Bereich Komödie etwas zu kurz finde ich.

Der Film ist dennoch sehenswert. Der Film regt zum Nachdenken an und tritt in keine Fettnäpfchen, was beim Thema Israel denke ich noch schwierig ist.

8/10