Mittwoch, 25. Juni 2014

"Schweizer kann jeder werden, Eidgenosse nicht." - Rassismus in Reinkultur


"Die drei Eidgenossen" im Bundeshaus in Bern
(Rechte frei)
Gerade wenn man über die Nationalmannschaft spricht kommt der Spruch "Schweizer kann jeder werden, Eidgenosse nicht." sehr oft vor. Mich stört diese Aussage aber schon seit Jahren.

Wer sind "Schweizer"? Gemäss Aussage sind es die Leute, die eingebürgert werden. Jeder könne Schweizer Bürger werden. Ich finde zwar, dass das zwar technisch falsch ist, aber so vertreten werden kann. Alle die das Gefühl haben sie sind Schweizer sollten das auch sein dürfen. 

Wer sind "Eidgenossen"? Das sind scheinbar die "Schweizer" die nicht eingebürgert wurden. Die "Eingeborenen"? Das Problem ist hier einfach, was jemand der behauptet, er sei ein "Eidgenosse" dafür gemacht hat. Nichts, er/sie hat nichts dafür getan!

Was hier versucht wird ist, dass hier faktisch eine "helvetische Rasse" erschaffen wird. Alle die eingebürgert werden können diesen Status nicht erreichen. Ich komme also zum Schluss, dass der obengenannte Spruch mit den "Eidgenossen" unglaublich rassistisch ist. Ich denke jeder, der diesen Spruch verwendet (und nicht nur wiedergibt) kann man als RassistIn bezeichnen.

Hier noch ein kleiner Exkurs dazu, ob der Begriff überhaupt noch angebracht ist: Es gibt ja immer noch Leute die sich auf die schweizerischen Mythen beziehen. Also zum Beispiel, dass die "Urschweizer" nämlich die Helvetier schon gegen Caesar gekämpft haben und von diesem sogar noch gelobt wurden. Das Problem hier ist einfach, dass die Helvetier ein innerschweizerisches Volk waren und nichts mit der heutigen Schweiz zu tun haben. Zweitens ist kritisch zu bewerten, was Caesar über das Volk geschrieben hat. Im ganzen "De Bello Gallico" wird soweit ich weiss, ein Volk als schwach beschrieben. Warum auch? Caesar schrieb ja damals auch dieses Werk als eine Art Propaganda für seine Person.

Die schweizerische Mythenbildung geht weiter. Der sogenannte "Bundesbrief" von 1291 wird als Gründung der Schweiz angeschaut. Offensichtlich wird aber schon im Bundesbrief selber ein Bund vor dem damaligen Bund erwähnt. Wie willkürlich ist es also, den Vertrag von 1291 als "Gründung der Schweiz" anzuschauen?
Vor allem, ist dieser Bund ein Bündnis von drei heutigen Ständen, die sich in 500 Jahre zur heutigen Schweiz entwickelt haben.

Aber ich glaube man muss den tieferen Sinn anschauen, warum man eine solchen Mythos konstruiert. Die Schweiz ist im weiten Sinn immer ein multikulturelles Land gewesen. "Die Schweizer" gibt es nicht. Es gibt keine gemeinsame Sprache, es gibt auch keine gemeinsame "politische Kultur". "Westschweizer", "Deutschschweizer" und Tessiner könnten nicht anders sein. Eine solche gemeinsame Geschichte bietet sich daher an um eine Nation zu bilden.

Wo will ich aber hin? Ich möchte, dass endlich aufgehört wird die Nationalität als gottgegeben oder etwas anzuschauen, wofür man etwas getan hat. Niemand kann etwas dafür, dass man in ein Land, in eine spezielle Familie geboren wurde und daher Nationalität X bekommen hat. 

Ich finde aber, dass es Sinn machen kann Nationen als Verwaltungskonstrukte weiter zu behalten. Und auch nicht mehr aus diesen macht. Niemand kann etwas dafür, dass er seine Nationalität hat, sollte daher auch nicht anders behandelt werden. 

Hier noch folgender Gedanke: Was ich oft auch höre ist: "Ich bin stolz Schweizer zu sein." Warum? Warum ist jemand stolz auf seine Nationalität? Warum sind Leute auf irgendetwas stolz für das sie nichts getan haben? Wir sollten stolz auf das sein, was wir erreicht haben, als Individuum und nicht als konstruiertes Kollektiv.

Sprache wird von einigen Personen eingesetzt um Rassismus durch die Hintertür reinzutragen. Der obendiskutierte Spruch ist ein Beispiel dafür.

Dienstag, 24. Juni 2014

Review: "Silicon Valley" - Season 1

Habe wieder einmal eine neue Serie aus den USA entdeckt, die ich in einem Rutsch angeschaut habe.

Es geht um den schüchternen Richard Hendriks, welcher seine eigene Firma (Pied Piper) gründet, die einen Algorithmus austüffteln will, der zur Komprimierung von Fotos, Audio und Video eingesetzt werden soll. Die grosse Firma (Hooli), bei der Hendriks vorher gearbeitet hat fängt an den Algorithmus rückwärts zu konstruieren. Es kommt schliesslich zum grossen Aufeinandertreffen zwischen Hooli und Pied Piper beim TechCruch Disrupt in San Francisco.

Wie kommt man aber zu so einer Firmengründung? Was muss man alles tun, damit alles so rund läuft, wie man das bei anderen Firmen kennt? Wie organisiert man sich ein Logo? Wie regestristriert man sich bei der Seuerbehörde? Wie organisiert man genügend Kapital?

Die Charaktere für die Serie sind einfach grossartig. Auf der einen Seite die Programmierer, welche ein bisschen nerdig sind aber auch nicht zu stark. Auf der anderen Seite Erlich Bachmann, der einfach sowas von selbstbewusst ist. Nicht umsonst möchte er auch gerne der neue Steve Jobs werden, wie er immer wieder unterstreicht. Die Sprüche in dieser Serie sind zum Teil wirklich klever, ich musste sehr oft lachen. Besonders als die Gruppe vor der Präsentation über einen so seltsamen Sachverhalt diskutiert, dass ich mich kaum mehr einkriegen konnte.


Freitag, 13. Juni 2014

Welches Label macht was?

Label Eigenschaften Meine Meinung
Bio Knospe Mind. EG-Bio, kein Flugtransport, prioritär Import aus nahem Ausland, keine "artfremden Zusätze"[1], weniger Düngemittel, keine Weine aus Übersee, keine Rodung von Urwaldflächen, nachhaltige Wassernutzung Mein persönlicher Favorit
EG-Bio Alles was als "bio" bezeichnet wird muss diesen Vorschriften genügen, auch in der Schweiz.
Migros Bio Schweizer Produkte sind Knospe, importiertes nur EG-Bio-Verordnung[2], Südprodukte Max Havelaar
Demeter Milch nicht homogenisiert, kein Nitrit bei Fleisch[2], biodynamisch (d.h. anthroposophisch) zu esoterisch, Tierhaltung ist Vorschrift
Biotrend (Lidl) Erfüllt EG-Norm
Naturaktiv (Aldi) Erfüllt EG-Norm
Naturpur
(Spar)
Erfüllt EG-Norm
IP-Suisse Kein Bio-Label, macht sehr viel für Biodiversität z.T. besser als EG-vO
UTZ Kein Bio-Label, kein Fairtrade-Label[4], keine Mindestpreise für Bauern Greenwashing-Label[3]
Rainforest Alliance Kein einziges Verbot[5] Greenwashing-Label[3]
Max Havelaar Fairtrade-Label schlechthin.
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[1] Vitaminieren nicht erlaubt, Randensaft in Erdbeerjoghurt nicht erlaubt, Randensaft in Gemüsecocktail ja, Zitronensaft statt Zitronensäure; http://www.bio-suisse.ch/media/VundH/unterschiede_knospe-bio_d.pdf, (abgerufen am 13.06.2014) S. 2.
[2] Siehe "Überblick verschiedene Bio", http://www.bio-suisse.ch/media/VundH/unterschiede_knospe-bio_d.pdf, (abgerufen 13.06.2014) S. 1.
[3] Ich zu UTZ: http://johleut.blogspot.ch/2012/10/ist-uzt-certified-die-losung.html
Ich zu Rainforest Alliance: http://www.johleut.blogspot.ch/2011/10/nicht-direkt-aber-rainforest-alliance.html
[4] UTZ bezeichnet sich selber nicht als Fairtrade-Label: https://www.utzcertified.org/en/newsroom/utz-in-the-news/26582670-2012-08-07-15-30-40 (abgerufen am 13.06.2014)
[5] Vgl. Bewertungstabelle vom Oktober 2010 vom WWF, http://www.wwf.ch/de/aktiv/besser_leben/ratgeber/lebensmittellabels/, (abgerufen 13.06.2014), Blatt 3 "Südprodukte".
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weiterführende Links:
* PDF vom WWF sehr gute Daten und hübsche Grafiken. http://assets.wwf.ch/downloads/hintergrundbericht_labelratgeber_2010_def_low.pdf
* Kassensturz-Dossier zum Thema Bio-Label: http://www.srf.ch/konsum/themen/konsum/bio-labels-im-vergleich
* WWF-Ratgeber: http://www.wwf.ch/de/aktiv/besser_leben/ratgeber/lebensmittellabels/
* PDF von Bio-Knospe ausführlich zu Vorschriften: http://www.bio-suisse.ch/media/VundH/unterschiede_knospe-bio_d.pdf

Hochhausstudie Wil - Was soll das?!

Mir ist heute Nachmittag die "Hochhausstudie Wil" vom September 2013 in die Hände gefallen. Die Studie wurde von der Stadt Wil in Auftrag gegeben und vom Atelier Wehrlin aus Wünnewil ausgeführt.

Der erste Teil untersucht die momentane Lage in Wil. Zeichnet die Grundstruktur der Stadt auf. "Die Stadtstruktur von Wil ist nach wie vor geprägt durch die historische Gründungssituation." (S. 15) Wil sei von einem Ypsilon geprägt. Es gäbe Wachstumsimpulse, die man raumplanerisch und städtebaulich verarbeiten müsste. Die Bahnlinien und die Achse "St. Gallerstrasse-Zürcherstrasse" haben eine zentrale Bedeutung.
Kurz gesagt: Keine Aha-Effekte nach der Einleitung.

Teil zwei: Es wird ein kurzer historischer Abriss über hohe Häuser angeboten. Auch die juristische Dimension im Kanton wird beleuchtet. Was sind "hohe Häuser" und "Hochhäuser" aus rechtlicher Sicht? Wann dürfen sie gebaut werden? Wann nicht?
Wo befinden sich in Wil die hohen Häuser? Fallen sie auf?

Dann folgt auch schon Teil drei. Hier wird es auch zum ersten Mal interessant. Es gibt einige Karten und Konzeptzeichnungen.
Wo sollten keine Hochäuser (bzw. hohe Häuser gebaut werden)?
- Landschaftsschutzgebieten
-Standorte an wichtigen Sichtachsen
-Lagen am Siedlungsrand
-See- und Flussufer (in der Regel)
-Altstadt und Umkreis der Altstadt
-Konkurrenz mit Landmarks (gemeint z.B. eine Kirche)
 (S. 25)

Nun kommt aber das was mich verärgert: Direkt vor meinem Wohnhaus soll ein Hochhaus gebaut werden. (siehe Abb. 1)

Abb. 1: Konzept Hochhäuser und Höhere Häuser (S. 37)

 Die Situation ist derart lächerlich. Vor meinem Haus befindet sich eine Reihe Bäume. Zwischen diesen Bäumen befinden sich jeweils Parkplätze bzw. Einfahrten. Dann gibt es eine einspurige Strasse. Anschliessend eine Hecke, drei, vier Meter Schrebergarten und dann bereits die Geleise der Frauenfeld-Wil-Bahn. (siehe Abb. 2) Weiter östlich befindet sich noch ein gedeckter Veloständer und dann noch weiter östlich der FW-Bahnhof. Sollen dort Dinge verschoben werden, damit man einer Familienhaussiedlung eine Reihe hoher Häuser und sogar noch ein Hochhaus vor die Nase stellt? Kann das sein?
Abb. 2: Situation momentan vor meinem Haus.



Dienstag, 10. Juni 2014

Bernard Williams Kritik am Utilitarismus


Bernard Williams kritisiert den Utilitarismus aufgrund seiner angeblichen Unfähigkeit Minderheiteninteressen zu schützen vor einer drückenden Mehrheit.
Der Schlüssel zum Problem sind die irrationalen Gefühle (aus utilitaristischer Sicht) wie Vorurteile gegenüber einer Minderheit. Die Frage ist hier, ob bei einer Nutzenabwägung diese irrationalen Gefühle einfliessen dürfen. John Stuart Mill legt grossen Wert auf Bildung. Diese Bildung soll verhindern, dass Menschen solche irrationalen Gefühle haben und wenn sie trotzdem welche haben, trotzdem so handeln, wie es aus utilitaristischer Perspektive gewünscht wird, obwohl es kontraintuitiv ist.
Das zusätzliche Problem bei Williams Beispiel ist, dass es ausgeschlossen wird, dass man die Mehrheit nicht dazu erziehen kann, dass sie ihre Vorurteile fallen lassen. Was macht nun eine Utilitaristin oder ein Utilitarist in einer Situation, wenn die Bildung offensichtlich versagt hat?
Für mich ist klar, dass die Mehrheit trotz ihrer irrationalen Gefühle, die gegen diese Entscheidung sprechen, die Minderheit nicht ausschalten darf, egal wie klein sie ist. Denn die Qualität der Lust kommt immer vor der Quantität.
Wenn jemand zwei Dinge erlebt hat, und sich immer für die eine Sache entscheiden würde, dann ist die „eine Sache“ von höherer Qualität und muss immer vorgezogen werden, egal wieviel mehr Lust die „andere Sache“ bringt quantitativ.
Die meisten würden vorziehen es vorziehen, schlimme, unangenehme Vorurteile zu haben, statt zu sterben. Daher gilt: Egal wie gross die Mehrheit im Verhältnis zur Minderheit ist, die Minderheit darf nicht getötet werden. Es ist auch egal, wie kontraintuitiv das nun für die Mehrheit wirkt.


Quellen
Williams, Bernard: Kritik des Utilitarismus, übers. Wolfgang R. Köhler, Frankfurt a. M. 1990.
Mill, John Stuart: Utilitarianism/Utilitarismus, übers. Dieter Birnbacher, Stuttgart 2006.