Montag, 14. Juli 2014

Tierrechtler und Antisemitismus: Der "Holocaust-Vergleich"

Der umstrittene Vergleich am 12.07.2014 in Bern (Quelle)

Gestern war ich an einer Tierrechtsdemo organisiert von "tier-im-fokus.ch". Jedenfalls waren unter der Masse an Plakaten, Schilder, Bannern und Singchören auch ein paar sehr verstörende Botschaften, wie das oben gezeigte Schild. Hier wird die Schoa mit der heutigen Tierhaltung nicht nur verglichen sondern auch gleichgesetzt.

Kurz zur Geschichte dieses Vergleichs. Die Tierrechtsorganisation Peta hat in den USA eine Kampagne gefahren, welche ein Bild eines ausgemergelten Jungen in einem KZ und zusammengepferchten Schweine zeigt. Diese Kampagne wollten die Verantwortlichen auch in Deutschland starten, sie wurde aber 2004 verboten. Diese Verbot wurde 2009  vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. 2012 bestätigt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieses Verbot. (Quelle)

In der Schweiz wird dieser Vergleich von Erwin Kessler vom Verein gegen Tierfabriken bemüht. Das schlimme daran ist, dass er trotz Kritik dabei bleibt, diesen Vergleich weiter zu gebrauchen. Kessler äussert sich auch äusserst negativ über sogenannte "Schächt-Juden". (Quelle) Seltsam wird es, wenn man sich überlegt, dass Kessler nachgesagt wird, dass er einmal bei der Nationalen Aktion Mitglied war, einer rechtsextremen Organisation.

Hat dieser Vergleich mit der Schoa vielleicht das Ziel die unbeschreibare Grausamkeit dieses Verbrechens einzuebnen? Noch spannender wird die Sache, wenn man an den instrumentalisierten Tierschutz in der NS-Zeit denkt. Man bemühte das antisemitische Klischee der jüdischen Medizin, die auf Tierversuche zurückgreifen muss und propagierte stattdessen Naturheilkunde und so weiter. So auch beim Schächten wurden die Juden als absolute "Tierhasser" dargestellt, während der "gute Deutsche" ein Tierfreund war.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Auch bekannte Tierethiker benutzen diesen Vergleich so schreibt Helmut F. Kaplan:
Die plumpste Form narkotisierender menschlicher Selbstüberlistung ist aber die Leugnung jener Grausamkeiten, die in diesem Augenblick in unserer unmittelbaren Umgebung stattfinden: in Versuchslabors, Schlachthäusern, Pelzfarmen usw. Denn was hier geschieht, entspricht exakt dem Holocaust der Nazis. Um dies zu erkennen, braucht man sich nur Berichte über Menschenversuche in KZs und Berichte über heutige Tierversuche anzuschauen. Dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Die Parallelen sind lückenlos, die Berichte sind austauschbar. Alles, was die Nazis den Juden angetan haben, praktizieren wir heute mit Tieren! (Quelle)
Kaplan (der auch schon ein Interview in einer rechtsradikalen Zeitschriften gegeben hat) zieht also nicht nur Parallelen, sondern setzt die Schoa und die heutige Praxis mit Tierversuchen komplett gleich. Das kann nicht sein! Es gibt historische Unterschiede dabei. Ebenfalls darf es nicht sein, dass die Schoa für welchen Zweck auch immer als politisches Schlagwort eingesetzt wird.

Ausserdem: Wir müssen doch auch pragmatisch sein. Bringt dieser Vergleich irgendetwas für unser Ziel als Tierrechtler? Ich denke nein, im Gegenteil dieser Vergleich schadet der ganzen Tierrechtsbewegung und gehört daher unterlassen. Gibt es denn keine anderen Möglichkeiten das Leid der nicht-menschlichen Tiere anzuprangern? Ich denke diese Möglichkeiten gibt es und die sollte man auch nutzen.

Literatur
Die Anti-Defamation League (eine jüdische Gruppe) über den Schoa-Vergleich: http://archive.adl.org/anti_semitism/holocaust_imagery.html
Abschnitt "Tier-Holocaust" im Wiki-Artikel "Holocaust (Begriff)": https://de.wikipedia.org/wiki/Holocaust_%28Begriff%29#Tier-Holocaust

Dienstag, 8. Juli 2014

Zum strukturellen Antisemitismus

Was ist "struktureller Antisemitismus"? Das ist eine Form des Antisemitismus, in der antisemitische Klischees (vgl. unten) aufgenommen werden, ohne das man explizit von Juden spricht.

Verschwörungstheoretiker (sie selbst nennen sich "Truther" oder "Infokrieger), distanzieren sich von Antisemitismus. Denn offensichtlich kommt es in der Öffentlichkeit nicht gut an, wenn man gegen Juden hetzt. Wenn man aber genauer hinschaut bemerkt man, dass aber genau die gleichen Klischees wieder aus dem Keller hervorgeholt werden. Man spricht nicht von Juden sondern benutzt Codewörter wie "Zionisten" oder die NWO.
  • SIE, die Elite, würde die Medien kontrollieren
  • SIE dezimieren die Menschheit in dem sie Wasser, Lebensmittel oder den Himmel etc. vergiften. (vgl. Abb. 1)
  • SIE kontrollieren die Weltpolitik für IHRE Zwecke
  • SIE benutzen das Zinssystem um die Menschheit zu versklaven
Die Sache wird auch extra schwammig formuliert. Hinter diesen Behauptungen stehen aber uralte Klischees die Juden teilweise seit Jahrhunderten nachgesagt werden.
  • Der "jüdische Kulturbolschewismus": Die Juden würden die Medien und andere Formen der Massenkommunkation zum Beispiel den Film kontrollieren und für ihre Zwecke einsetzen. (vgl. Abb. 3) Oft hört z.B. man in den Kreisen der Verschwörungstheoretiker, dass die "Massenmedien" nicht darüber berichten dürften was "wirklich" passiert ist.
  • Das Klischee der jüdischen Brunnenvergifter, dass es seit den Mittelalter gibt und es bis heute überlebt hat. So gab es klar antisemitische Impfkritik im Dritten Reich.
  • Das Klischee der jüdischen Weltverschwörung, da sie sich ja selber als "messianisches Volk" verstehen würden. Dieses Vorurteil lebt beispielsweise im heutigen Antiamerikanismus weiter.
  • Klischee vom jüdischen Wucherer, welches zum Beispiel mit den Verschwörungstheorien rund um die Familie Rothschild warmgehalten wird.
    In der NS-Zeit galt "der Deutsche" als der "schaffend", während "der Jude" als "raffend verstanden wurde. Diese Art der "Kapitalismuskritik" (die gar keine ist) gibt es heute auch noch. Aus marxistischer Sicht ist diese Kritik verkürzt. Denn nicht die Zinsaufnahme ist das Problem sondern das Verhältnis der Produktionsmittel. (vgl. gegen Ende dieses Videos von unten)
Bei ihren Behauptungen stützen sich einige auf die "Protokollen der Weisen von Zion", ein offensichtlich erdachtes [manche sagen, dass es sich um ein "gefälschtes", aber das Dokument ist nicht gefälscht, es gibt es schlichtweg nicht im "Original"] Dokument, was mehrfach belegt wurde. In den "Protokollen" geht es darum, wie sich die Juden überlegen wie sie die Weltherrschaft an sich reissen wollen.

Der strukturelle Antisemitismus ist m.E. mit dem "richtigen" Antisemitismus untrennbar verbunden.

Ein Klischee, welches bei der Israel-Diskussion immer wieder gebracht wird ist, dass Israel tausende pälestinensische Kinder auf dem Gewissen hatte. Auch hier wird gesagt, dass es nicht Juden sondern "Zionisten" (vgl. Abb. 2) seien. Wie dem auch sei. Ich stelle hier einfach einmal fest: Das Klischee der Kindermörder gab es bereits im Mittelalter über Juden. Man betitelt Bombadierungen im Gazastreifen gerne einmal als Völkermord.

Interessante Links:

Abbildungen:
Abb. 1.: Die Seite "Killuminati" über "sie" (Quelle)
Abb. 2: Ein "Killuminati"-Fan der die Chiffre "Zionist" benutzt. (Quelle)
Abb. 3: Ein "Killuminati"-Fan bemüht das Klischee der jüdischen Kontrolle über die Medien. (Quelle)
Abb. 4: Zinskritik auf "Killuminati" (Quelle)

Freitag, 4. Juli 2014

Mails ohne Antwort #1: SiVe FC Wil - "1312"-Banner von Chiasso


  
1312: Verbotene Zahlenkombination im Bergholz
Anbei findet ihr unverändert eine Mail, die ich an den Sicherheitsverantwortlichen des FC Wil geschickt habe. Ich habe bis heute keine Antwort bekommen.

Für alle die es nicht wissen: "1312" steht für "ACAB", was wiederum für "All Cops Are Bastards" steht. Dieses Kürzel auch in Zahlen ist verboten, wie auch Kritik gegen den Stadionsponsor IGP.

Betreff:  "1312"-Zaunfahne von Chiasso
Datum: Tue, 20 May 2014 08:56:08 +0200
Von: J.L.
An: sive(äät)fcwil.ch [Sicherheitsverantwortlicher FC Wil]

Guten Tag

Ich möchte mich beschweren wegen der "1312"-Zaunfahne, welche am letzten Samstag gegen Chiasso im Auswärtssektor hing. Mir ist bekannt, dass diese Zahlenkombination im Bergholzstadion verboten ist, da sie für das Akronym "ACAB" (All Cops Are Bastards) steht. Hinter diesem Verbot kann ich stehen, denn ich bin nicht der Meinung, dass eine grundsätzliche Polizeikritik angebracht ist.

Was mich hingegen ärgert ist die Tatsache, dass sich die Wiler Fans (zumindest bei Heimspielen) an dieses Verbot halten, hingegen die Fans von Chiasso ein solches Transparent zeigen dürfen. Umso stossender finde ich es, wenn die Fans vom FC Chiasso auch noch zwei Zaunfahnen über die Werbebande ("IGP") hängen und wenige Augenblicke später sehe ich, wie sie diese Fläche wieder freimachen. Vielleicht haben sie die Anweisung bekommen, dass sie Werbung nicht abdecken dürfen oder jemand ist tatsächlich in den Fanblock getreten und hat sie darauf hingewiesen. Hat der FC Wil die Fans vor oder während dem Spiel darauf hingewiesen oder ist das selbständig passiert?

Wie auch immer. Warum darf Chiasso eine solche Zahlenkombination ("1312") zeigen? Gelten für Heim- und Gästefans unterschiedliche Massstäbe?

Ich bin auf jeden Fall auf Ihre Antwort gespannt

Freundliche Grüsse
Johannes Leutenegger

Donnerstag, 3. Juli 2014

Bei Israel ist es wieder anders rum

(Sekundärer) Antisemitismus auf KenFMs FB-Seite

Es ist eine interessante Strategie die Antisemiten fahren, wenn es in Israel wieder zu Gewalttaten kommt. So auch vor kurzem, als der Tod von drei entführten israelischen Jungs in den Medien verbreitet wurden.

Schrecklich ist nicht nur das Ereignis selber, sondern auch die Kommentare von gewissen Leuten. So zum Beispiel auf der Facebook-Seite der Jüdischen Allgemeinen. Mittlerweile sind die schlimmsten Kommentare auf dieser Seite mehrheitlich gelöscht. Die Facebookseite Kartoffeln im Netz hat dann aber Screenshots von Kommentaren zum Beispiel auf  Gregor Gysis Facebookseite. Der Post von Gysi ist definitiv nicht antisemitisch, aber die Kommentare haben es in sich.

Inhalt war eigentlich immer der gleiche. "Tja, das war voraussehbar bei der Politik die Israel fährt." Manche Leute streuten auch noch eine hübsche Portion antisemitischer Klischees drüber. So schreibt einer: "Ein Skandal, der von der westlichen Welt unterstützt bzw. geduldet wird. Das Geld lässt grüssen ..." Ein anderer schreibt etwas über das antisemitische Vorurteil, dass Juden Kindermörder seien und fügt dann noch hinzu: "Langsam glaube ich Hitler hatte recht!" Aber natürlich ist man kein Antisemit, wenn man etwas gegen Israel hat, aber genau die gleichen Vorurteile weiter benützt. Jemand schreibt: "Den Israelis(nicht direkt den Juden!) trau ich alles zu!"

Bei KenFMs (Chef ist Ken Jebsen einem ehemaligen rbb-Journalisten, der wegen grob antisemitischer Äusserungen entlassen wurde) Facebook-Seite geht der "Spass" weiter.

"Das Vorgehen Israels erinnert an das Warschauer Ghetto. Israel geht mit den gleichen Methoden gegen die Besetzten vor, wie es einst die SS tat...." schreibt jemand. Man kann sich hier einige Fragen stellen. Gibt es keine andere Möglichkeit sich auszudrücken statt mit Nazi-Beispielen? Ich denke man kann definitiv der Meinung sein, dass die israelische Politik nicht gut ist, aber warum müssen genau Nazi-Vergleiche rausgeholt werden? Steckt da vielleicht mehr dahinter?

Ein anderer Kommentar: "Die dürfen sich benehmen wie sie wollen das kotzt mich an! Die denken die haben jetzt einen freifahrtschein für schlechtes behnehmen in dieser Welt.... nichts gelernt aus der Vergangenheit - namlich es besser zu machen. Bemitleidenswert" Hier wird eine deutliche Opfer-Täter-Umkehr vorgenommen. Die Vergangenheit werde dazu verwendet Profit zu schlagen. Die Juden sind plötzlich die Täter, die "anderen" knechten wollen mit der Erinnerung an die Schoa. 

Dieses Vorgehen kann man unter dem Phänomen "sekundärer Antisemitismus" zusammenfassen. Sekundärer Antisemitismus kann man in einem Satz sehr gut erklären. "Judenhass nicht trotz, sondern wegen Auschwitz." Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet einige gute Texte zum Antisemitismus so auch über das Phänomen sekundärer Antisemitismus. Das Interessante ist, dass auch hier von Antisemiten antisemitische Klischees gebraucht werden.