Donnerstag, 28. März 2013

Rezension: Fernand Braudel: Die Dynamik des Kapitalismus

Als Erstsemestriger besuchte ich als allererste Vorlesung eine Vorlesung von Professor Tanner über Wirtschaftsgeschichte. Es hat mich sofort gepackt. Es waren nicht die geschenkten ECTS-Punkte, sondern einfach dieser Ansatz Geschichte zu verstehen, der mich einfach fasziniert hat.
Braudel gilt, meiner bescheidenen Meinung nach, zu einem wichtigen Wegbereiter der modernen Wirtschaftsgeschichte. Man merkt, dass er schon lange verzweifelt nach empirischen Daten gesucht hat, als er die drei Vorlesungen hielt, die im Buch "Die Dynamik des Kapitalismus" enthalten sind. Heute, wo die Wirtschafts- und Sozialgeschichte (m.E.) viel weiter ist und auch heute noch erstaunliche Fortschritte macht, wäre Braudel wahrscheinlich sehr glücklich.
Zu betonen ist auch die "Welt-System-Theorie", die Braudel aufstellt. Es gibt keine Entwicklung von Sklavenhaltergesellschaft (usw.) Richtung kapitalistische Gesellschaft (siehe Marx'scher HISTOMAT) sondern es gab immer sogenannte Weltzonen. Kapitalismus gab es in Ansätzen laut Braudel immer. Dieser setzt nicht einfach im 20. Jahrhundert ein, wie Lenin, den Braudel erstaunlich oft zitiert behauptet.
Lustig ist, dass Braudel weder Marxist noch "überzeugter Kapitalist" ist, er fragt sich sogar, ob das System, dass er sich vorstellt überhaupt existieren kann. Er kritisiert, dass die Nachteile der Marktwirtschaft immer damit entschuldigt werden, dass man eben das kleinere Übel wähle im Hinblick auf den realen Sozialismus (die Vorlesungen stammen ja aus den 1970er Jahren, soweit ich weiss). Den realen Sozialismus und seine "mangelnde Spontanität" (Braudels Deutung: "fehlende Freiheit") wird mit dem gleichen Argument begründet, nämlich, dass es das kleinere Übel sei, wenn man die kapitalistische Gesellschaftsform überwinden will.
Das Buch ist relativ kurz und gut lesbar. Brauchte nur knapp zwei Stunden bis ich es durchhatte.
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