Samstag, 16. Mai 2015

Peter Singer an der Uni Zürich: Schlechte Erinnerungen

Peter Singers TED-Talk. (Lizenziert unter CC: Quelle)
 Im Mai 1991 war Singer bereits einmal an der Uni Zürich zu Gast gewesen. Es wurden während dem Vortrag "Singer raus! Singer raus!" gerufen.(1) Ein Demonstrant hatte sogar Singers Brille entrissen und zu Boden geworfen. Singer brach schliesslich den Besuch ab.(2) Die Kritik richtete sich gegen die Thesen von Singer zu Abtreibungen und Infantizid gerade von behinderten Kindern.

Nun ist 24 Jahre später Singer wieder zu Gast an der Uni Zürich. Am 18. Mai spricht er zum 20. Jubiläum des Ethik Zentrums über Effective altruism.

Gerade ist in Deutschland die Debatte wieder hitzig losgebrochen. Scheinbar ist die Diskussion von Singers Thesen auch nur im deutschsprachigen Raum derart vergiftet. Zum Beispiel gerade ganz extrem auf RollingPlanet.net, einem Internet-Portal für Behinderte.(3) Aber auch linke Publikationen wie die Junge Welt sind für recht harsche Kritik an Singer zu haben. Wobei mir nicht ganz klar wird, was sie genau an Euthanasie an Kindern mit Spina bifida auszusetzen haben.(4) Der Humanistische Pressedienst lieferte schliesslich ein Interview mit Michael Schmidt-Salomon zum Artikel der jW. Schmidt-Salomon:
In Deutschland wird immer wieder behauptet, Peter Singers Position sei "behindertenfeindlich", obwohl er selbst für eine "behindertenfreundlichere Politik" eintritt. In dem heftig umstrittenen Buch "Muss dieses Kind am Leben bleiben?", das Peter Singer zusammen mit Helga Kuhse schrieb, heißt es dazu: "Wir meinen, dass die reichen Nationen sehr viel mehr tun sollten, um behinderten Menschen ein erfülltes, lebenswertes Leben zu ermöglichen und sie in die Lage zu versetzen, das ihnen innewohnende Potential wirklich auszuschöpfen. Wir sollten alles tun, um die oft beklagenswert schlechte institutionelle Betreuung zu verbessern und die Dienstleistungen bereitzustellen, die behinderten Menschen ein Leben außerhalb von Institutionen und innerhalb der Gemeinschaft ermöglichen". Man muss dazu auch wissen: Weltweit wird Singer angegriffen, weil er "linke Positionen" vertritt, nur im deutschsprachigen Raum wird ihm merkwürdigerweise das komplette Gegenteil vorgeworfen. Ich habe auf diese sowie verschiedene andere Punkte bereits vor vier Jahren hingewiesen. Leider hat dies an den Vorurteilen gegenüber Peter Singer nur wenig geändert.(5)
Hierzu gibt es meinerseits nichts hinzuzufügen.
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(1): Peter Singer: Praktische Ethik, Stuttgart 1994, S. 449.
(2): Vgl. auch https://en.wikipedia.org/wiki/Peter_Singer#Protests
(3): Vgl. http://rollingplanet.net/2015/05/12/stoppt-peter-singer/
(4): Vgl. https://www.jungewelt.de/2015/05-12/018.php
(5): http://hpd.de/artikel/11717

Freitag, 15. Mai 2015

Leid reduzieren: Darum ja zur PID-Vorlage

Am 14. Juni wird unter anderem über die Präimplantationsdiagnostik-Vorlage (PID) abgestimmt. Die Schweiz hat eines der strengeren Gesetze zur Fortpflanzungstechnologie. Das finde ich schade. Die Vorlage versucht hier etwas nachzuholen, was viele Länder bereits erfolgreich eingeführt haben.

Wie funktioniert PID?

Worum geht es?
Heute darf man nur so viele Embryonen züchten, wie man auch einpflanzen kann (d.h. drei Eizellen). Die Änderung ist eigentlich nur ein Nebensatz. Mit der Vorlage sollen eine grössere Zahl an Eizellen (d.h. 12 Eizellen) herangezogen werden können. Man kann damit das Risiko von gefährlichen Mehrlingsgeburten senken. Allgemein werden Risiken für Mutter und Kind gesenkt.

Erbkrankheiten und angebliche Abwertung behinderter Menschen
Das Problem das Behindertenverbände jetzt kritisieren ist die Möglichkeit, dass man auch Erbkrankheiten und konkret Behinderungen erkennen und damit verhindern könnte. Dies würde zu einer Abstufung des Wertes von Behinderten führen.

Zuerst einmal: Bereits jetzt darf man feststellen, ob ein Kind z.B. Trisonomie 21 (Down-Syndrom) hätte und diesen Zillklumpen auch nicht einpflanzen. Es ist wichtig, dass wir behinderten Menschen unsere Unterstützung geben. Wir sprechen hier aber von Eizellen, die nicht fähig sind Schmerzen zu empfinden und die keine Menschen sind. Ja, wenn eine Frau mit einem Trisonomie 21-Kind schwanger ist und sie dieses Kind nicht bekommen will, dann kann eine "Nicht-Einpflanzung" deutlich Leid reduzieren, sowohl bei der Mutter, als auch beim Kind. In solchen Fällen ist m.E. ein solches Vorgehen sogar geboten. (Natürlich kann man sich auch dagegen entscheiden. Man fügt aber schliesslich dem Kind und sich selber enormes Leid zu, wenn man dazu nicht in der Lage ist, mit der Situation klarzukommen. Wenn jemand aber mit dieser Wahlfreiheit ein Problem hat, müssen wir an dieser Person arbeiten und nicht an den Methoden.)

Das Plakat der GegnerInnen
Als Sujet der Gegner sehen wir zwei Hände in Gummihandschuhe, die ein Bild eines Mädchens mit Down Syndrom zerreissen. Folgende Probleme: 1. Es handelt sich bei diesen Eizellen eben gerade nicht um geborene Menschen. Es ist ein unempfindsamer Haufen an Zellklumpen nicht mehr. Und bitte liebe GegnerInnen kommt mir nicht mit dem Konzept der Seele oder Gott, so etwas in einer politischen Diskussion nichts verloren. 2. Die Handschuhe deuten darauf hin, dass einE WissenschaftlerIn oder ein Arzt/eine Ärztin das "Leben" dieses Mädchens beendet. Oder die "Potenz des Lebens", wie so manche Leute dazu sagen (meist aus einem theologischen Kontext heraus, warum bloss?!). Letztlich sind es die Eltern die entscheiden und nicht ein böses Wesen.

Die Bischöfliche Kommission für Bioethik
In ihrem Flyer stellt die Kommission reichlich Fragezeichen in der Gegend auf.

1/ Da der menschliche Embryo von der Zeugung an als Person betrachtet werden muss, stellt die PID eine schwerwiegende Verletzung der wesenseigenen Würde des Menschen dar.
2/ Eine Krankheit wird nicht geheilt, sondern sie wird vermieden, indem man den Träger der Krankheit aussondert, was nicht zu rechtfertigen ist. 
3/ Die PID benötigt zum Zweck der Auswahl die willentliche Erzeugung von Embryonen (liberale Eugenik).
4/ Man nimmt sich das Recht heraus, zu entscheiden, wer es verdient zu leben und wer nicht.
 Zu 1.: Sie kritisieren in der Kommission beispielsweise, dass es willkürlich ist, was eine "schwere Krankheit" ist und was nicht. Was sicher teilweise stimmt. Aber sie nehmen den Begriff der Person mithinein, der im theologischen Kontext einfach bei der Zeugung einsetzt. Warum das so ist? Darauf kann man keine gute (d.h. säkulare) Antwort bringen.

Zu 2.: Also wie gesagt, dieser "Träger" ist ein unempfindsamer Zellklumpen und kein Mensch. Man darf diesen "Träger" also aussortieren, wenn dies Nutzen bringt.

Zu 3.: Eugenik? Das Geschlecht wird nur bei Verdacht auf Erbkrankheiten, die damit verbunden sind herausgefunden. Haarfarbe etc. wird nicht festgestellt. Ausserdem Aussortierung aufgrund von Geschlecht, Haarfarbe etc. weiterhin illegal. Hier von Eugenik zu sprechen ist etwas gesucht.

Zu 4.: Das machen wir doch ständig! Wenn man ein Kondom benutzt, dann entscheidet man sich auch dafür dass ein "potenzielles Kind" nicht leben darf. Selbst wenn ich Verhütungsmittel benutze, dann könnte ich mich beispielsweise gegen Geschlechtsverkehr entscheiden und somit ein "potenzielles Leben" verhindern. Liebe Ethik-Kommission, darf nur "Gott" entscheiden ob ein Kind leben darf oder nicht? Ist es das, etwas versteckt?

Dienstag, 5. Mai 2015

Fussball macht manche Erwachsene zu Kindern

Sonntag in Genf. (Bild: Sektion K.O.M.A.)
Am letzten Sonntag reiste ich nach Genf um den FC Wil zu unterstützen. Um das Spiel wird es hier jetzt nicht gehen, mehr um das "Drum-Herum": Als wir den Gästeblock verliessen roch es stark nach Schwefel. Vermutlich hatte jemand eine Stinkbombe oder etwas Ähnliches platziert, denn vor dem Spiel stank es nicht derart.

Fussball macht gestandene Männer zu kleinen Kindern. Auf der einen Seite ist das ganz schön, man kann sich etwas austoben und seine Kreativitität ausleben. Aber da gibt es noch die andere Seite. Stinkbomben sind hier nur die Spitze des Eisberges und letztlich irgendwie noch lustig.

In der Fussballfanszene besonders in der Ultrà-orientierten Szene gibt es ein unglaubliches Männlichkeitsstreben. Teil davon sind immer auch Mutproben, die beweisen sollen, wie hart man ist. Das gestaltet sich konkret etwa so, dass man mit den Sicherheitskräften den Konflikt sucht, Pyrotechnik schmuggelt, nur um zu zeigen, dass "man es auch einmal geschafft hat". Dazu prahlt man in den einschlägigen Plattformen im Internet und verteilt Beleidigungen.

Und wenn man sich verbal nicht mehr wehren kann, dann kommt es zu körperlicher Gewalt. Wenn eine Seite wieder ausfällig geworden ist, dann kommt es wieder zu Versuchen zu den Gegnern (den "Feinden") durchzudringen und sie in die "richtige" Position zu verweisen.

Störend ist diese hierarchische Ordnung in dieser Subkultur. Erstens bei den Gruppen. Wer bringt am meisten Leute, wie weit? Wer ist am lautesten? Wer zündet am meisten Pyrotechnik? Am schlimmsten: Wer kann dem Gegner die meisten Fanutensilien abnehmen? Und zweitens in den Gruppen selber: Wer besucht die meisten Spiele? Wer singt am lautesten? Wer traut sich die meisten Sachen? Wer ist am längsten dabei? Welcher Gruppierung gehört er an? Alle diese Faktoren führen zu einer extrem kampfbetonten Athmosphäre.

Worauf will ich hinaus? Ich will der Fanszene nicht nehmen, dass es eine Art Wettbewerb auf den Rängen gibt. Das ist glaube ich auch Essenz der Tätigkeit, nämlich die Mannschaft möglichst effektiv zu unterstützen. Aber kann es sein, dass sich diese diffusen Trends durchsetzen, dass man sich ständig prügeln und den Gegner ihre Fanutensilien klauen muss? Müssen wir als Fans immer beweisen, wie hart (und letztlich "männlich") wir sind? Können wir nicht einen Gang runterschalten und die ganze Angelegenheit entspannter anschauen?

Zurück zum Anfang. Die Stinkbomben in Genf. Ist es nicht seltsam, dass Menschen wenn es um Fussball geht ihr Hirn plötzlich ausschalten manchmal? Würde eine erwachsene Person eine Stinkbombe anbringen um Leute zu ärgern, die sie nie kennengelernt hat. Leute, die die erwachsene Person nur "hasst", weil man sie eben "hasst"? Nein, würde man nicht.

Es ist völlig unverständlich für mich, wie man Menschen hassen kann, die man nie kennengelernt hat. Ich meine letztlich gehört auch ein bisschen Provokation zum Fussball, aber man sollte sich doch schon bewusst sein, dass man sich nicht völlig inkohärent dazu verhält, wie man es sonst tun würde.