Donnerstag, 26. Februar 2015

Nur Fasnachtsscherz? - Kommentar zum Antisemitismus-Vorfall beim FC Luzern

Die Aktion. (Ursprünglich auf fan-fotos.ch gefunden, mittlerweile dort gelöscht.)
 Was war da los?
Am Sonntag den 15. Februar spielte der FC Luzern auswärts gegen den FC St. Gallen. Die beiden Clubs pflegen mittlerweile eine Rivalität. Ausserdem befindet sich der FC Luzern seit einer gefühlten Ewigkeit auf dem letzten Platz. Die Lage ist brisant. Doch was dann passiert ist abscheulich: Ein Luzerner verkleidet sich als Juden mit Schläfenlocken, Hackennase, Bart, Brille, Hut und Anzug. Dazu trägt er einen FC St. Gallen-Schal. Es handelt sich um eine Anspielung  auf den Fangesang über die "Juden von St. Gallen."

Was ist Antisemitismus?
Die meiner Meinung nach beste Definition für Antisemitismus findet sich auf der Website des European Forum on Antisemitism. Sie lautet:
 "Der Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und / oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen." (Quelle)
 Beim Spiel gegen den FC St. Gallen handelt es sich um eine Rivalität. Das man sich als Juden verkleidet und einen Schal des Gegners anzieht ist sicherlich nicht als Kompliment zu verstehen. Man will den gegnerischen Anhang beleidigen, indem man sie als "Juden" bezeichnet. Offensichtlich ist es für diese Personen etwas schlimmes jüdisch zu sein. Es handelt sich hier also um eine antisemitische Tat.

Der stereotype Jude mit St. Gallen-Schal in der Nahaufnahme (Quelle unbekannt.)

 Ist es wieder hip antisemitisch zu sein?
Es gehört zum Fussball und anderen Sportarten, dass man gewisse Rivalitäten pflegt. Klar ist auch, dass es bei Beleidigungen immer wieder zu Grenzüberschreitungen kommt. So auch hier. Es kann nicht sein, dass "Jude", aber auch andere Worte wie "schwul" oder "behindert" als Schimpfwort benutzt werden. 

Ich stelle allgemein fest, dass auch in der Schweiz der Antisemitismus steigt. Gerade im Internet ist die Hemmschwelle massiv gesunken die Schoa zu leugnen oder "umzudeuten", wie man so schön sagt. Gerade unter Leuten die sich stark mit den Palästinenser solidarisieren sind Hitler-Fotos mit widerwärtigen Sprüchen über Jüdinnen und Juden oft zu finden (vgl. auch meinen Artikel über die Seite Killuminati und ihre Fans).

"Bloss ein Fasnachtsscherz" und andere Ausreden
Als ich mich mit Freunden darüber unterhalten habe, hörte ich schnell "Es ist Fasnacht!" Stimmt das so? Darf man in der Fasnacht alles? Wann ist ein Witz über oder eine Darstellung von Juden antisemitisch?

Man kann ganz Witze über Juden machen. Juden machen ständig Witze über sich und ihr Schicksal. Zum Beispiel diesen Witz, den ich seit einiger Zeit als meinen Lieblingsjudenwitz bezeichnen würde:
Im Jahre 1938 sitzen einander in der New Yorker U-Bahn zwei gerade eingewanderte deutsche Juden gegenüber. Der eine liest Der Stürmer, das Hetzblatt Julius Streichers. Der andere liest die jüdische Zeitung, den Forvertz, und wird allmählich aufgeregt. Endlich fragt er seinen Landsmann, „Wieso lesen Sie dieses furchtbare Blatt? Es ist nur reiner Antisemitismus, Judenhatz.“ Der erste Jude guckt vor sich hin. Er sagt: „Schauen Sie. Was steht in Ihrer Zeitung? Überall sind die Juden Flüchtlinge. Man verfolgt uns. Man wirft Steine und Bomben in die Synagogen. Ich lese die Nazi-Zeitung, denn sie ist zuversichtlicher. Wir besitzen die Banken! Wir besitzen die großen Firmen! Wir beherrschen die Welt!“
 Hingegen sind Witze die sich zum Beispiel um die angebliche Geldgierigkeit der Juden drehen antisemitisch. Und diese Witze sind sehr verbreitet, einen solchen Witz hat mir meine Tante als kleines Kind erzählt und ich habe ihn damals überhaupt nicht verstanden. Sie musste mir erklären, dass "Juden ja so geldgierig sind." Der Witz war ausserdem unglaublich schlecht.

Witze die einfach nur versuchen Juden stereotyp darzustellen sind m.E. antisemitisch. Inwiefern das dann strafrechtlich relevant wird, ist eine andere Sache. Interessant ist zum Beispiel die Debatte über den "Komiker" Dieudonné in Frankreich (Kommentar in der taz zum Beispiel.) Dieser versteckt sich hinter der recht einseitig ausgelegten Künstlerfreiheit, deutet die Schoa um und freut sich halb-heimlich über den Anschlag auf den koscheren Supermarkt in Paris nach dem Anschlag in Paris Anfang dieses Jahres.

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