Dienstag, 2. Juli 2013

Rezension: Chantal Mouffe: Über das Politische, Wider die kosmopolitische Illusion


Ich habe jetzt endlich Chantal Mouffes „Über das Politische“ fertig gelesen.
Besonders interessant finde ich die Erklärung Mouffes, warum der Rechtspopulismus heute und immer wieder auch der Extremismus, insbesondere auch der Terrorismus, einen Aufschwung bekommen. Es liegt daran, dass die Politik viel zu sehr epistemisch verstanden wird und nicht agonistisch, wie Mouffe das fordert.
Schauen wir uns das mal an einem Beispiel an: Die RAF entstand aus ehemaligen friedlichen Studentendemonstranten. Sie setzen sich lange friedlich für ihre Anliegen ein, beispielsweise für Vietnam oder gegen den Schah-Besuch in Deutschland 1969. Ihre Forderungen wurden nicht ernstgenommen, auch nicht von der SPD. Mouffe schreibt: „Da es keinen fundamentalen Unterschied mehr zwischen den Parteien gibt, versuchen sie, ihre Produkte mit Hilfe von Werbeagenturen durch cleveres Marketing zu verkaufen.“ (S.84) So scheint es mir auch damals gewesen zu sein. Niemand vertritt die Haltung der linken Studenten, sie werden stigmatisiert, beispielsweise auch vom Springer Verlag. Ich möchte den RAF-Terror in keinster Weise entschuldigen, aber ich will nur verständlich machen, wie Terrorismus entsteht. Lassen wir auch Meinungen zu, die sich eben nicht mit der Mainstreammeinung vereinbar ist. Wo man vielleicht keinen Konsens finden kann.
Dieses Prinzip lässt sich auch auf den Rechtspopulismus ausdehnen.  Viele Leute haben die Schnauze voll von dieser Konsenspolitik und wählen daher eine Partei die sich eben gegen dieses „Establishment“ wehren will. Mouffe sagt auch, wie man die Rechts-Parteien loswird. Sie untersucht also die Entwicklung der FPÖ, die man mittlerweile auch mit der Politik der SVP vergleichen kann. Man ist gegen dieses Establishment“ (in Österreich die ewigen Jahre der SPÖ-ÖVP-Koalition und in der Schweiz die angebliche „classe politique“, die die SVP anprangert) und plötzlich hat man sich selber im Establishment etabliert. Dann verliert man Anteile. So geschehen bei der FPÖ und auch bei der SVP. Wenn wir wollen, dass die SVP abstürzt, dann sollten wir ihnen am besten gleich zwei zusätzliche Bundesräte geben.
Die Schwäche an „Über das Politische“ finde ich nur, dass Mouffe eben, ich mutmasse ein bisschen, sehr weit links steht. Es gibt ein Problem mit dem Rechtspopulismus und dem islamistischen Terror, aber linken Populismus (beispielsweise in Frankreich Jean-Luc Mélenchon, den ich jetzt als linken Populisten und „Polemiker“ bezeichnen würde). Allgemein zieht sich der Ärger über sozialdemokratische Parteien, die sich immer weiter in Richtung Mitte bewegen (z.B. New Labour von Tony Blair) durch das ganze Buch.
Ausserdem lehne ich das Wort „Neoliberalismus“ in der Bedeutung, in der ihn Mouffe verwendet, als Kampfbegriff komplett ab. Obwohl Mouffe am Anfang unterstreicht, dass es auch „gute“ Liberale gäbe, wirft sie ihnen einige Böse Dinge vor. Liberale würden alles wie wild privatisieren wollen und überall Marktmechanismen einführen. Das mag vielleicht auf einige Liberale zutreffen, aber sicherlich nicht für alle. Liberale hätten grundsätzlich das Gefühl, sie handeln im Namen der „Menschheit“, behauptet Mouffe. Es mag solche Leute geben, aber die meisten sind in ihrem politischen Handeln sicherlich bescheidener.
Interessant ist wiederum der Gedankengang Mouffes zum Kosmopolitmus. Mouffe möchte unbedingt einen "Kampf der Kulturen" verhindern, indem sie eine sogenannte "multipolare Weltordnung" fordert. Es soll nicht alles "verwestlicht" werden, meint Mouffe und da schwingt auch eine ordentliche Portion Globalisierungskritik mit.
Grundsätzlich fand ich die Lektüre des Buches sehr anregend und empfehle jedem, es zu lesen, es lohnt sich!

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Über das Politische: Wider die kosmopolitische Illusion (edition suhrkamp)

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